Der Berg der Sehnsucht: Big Sky Mountain (German Edition)
abzustatten.“
„Ich will verdammt sein, wenn du nicht dümmer bist als der nächstbeste Zaunpfosten“, sagte Hutch, ging weiter und stieg in seinen Truck ein.
„Wenigstens kenne ich meine Grenzen“, rief Boone ihm nach.
„Danke für das Bier“, erwiderte Hutch missgelaunt und schlug die Wagentür zu. Dann fuhr er los, allerdings viel langsamer, als es ihm eigentlich lieb gewesen wäre. Aber Boone hatte ihn heute schon einmal wegen einer Geschwindigkeitsübertretung belangt, und das genügte ihm vollauf.
Als er Whisper Creek erreichte, hatte er sich wieder ein wenig beruhigt. Aber Boones Bemerkung, sie seien beide Feiglinge, versetzte ihm nach wie vor einen Stich, als hätte er in Stacheldraht gegriffen.
Neben seinem Haus stand ein ihm bekannter, vorsintflutlicher Kombi. Opal war früher als erwartet eingetroffen, wurde ihm beim Anblick des Wagens bewusst. Er murmelte etwas vor sich hin, stieg aus seinem Wagen aus und ging direkt in den Stall, wo er sich fast eine Stunde lang um seine Pferde kümmerte. Es war bereits dunkel, als er wieder nach draußen kam. In der Küche brannte Licht, das den Hof in einen angenehmen goldenen Schein tauchte.
Als er das Haus betrat, nickte er Opal zum Gruß zu, fragte sie aber nicht, was zum Teufel sie in seiner Küche machte. Immerhin wusste er es ja längst, weil er riechen konnte, dass sie für ihn Brathähnchen im Country-Stil zubereitete. Es war ein himmlisches Aroma.
„Geh dich erst mal waschen, bevor du dich an den Tisch setzt“, forderte Opal ihn auf, zog die Bänder ihrer Schürze fester und musterte ihn durch ihre dicken Brillengläser.
„Das mache ich üblicherweise so“, gab Hutch beiläufig zurück und stellte sich an die Spüle, drehte den Wasserhahn auf und griff nach der harten orangefarbenen Seife, von der dort immer ein Stück lag.
„Sieh dir nur diese Stiefel an“, schimpfte Opal auf ihre sonderbare Art, die schroff und liebevoll zugleich war und die für jene Leute bestimmt war, deren Verhalten von ihr auf den rechten Weg gebracht werden musste. „Ich wette, an den Sohlen klebt noch jede Menge Pferdemist.“
Hutch seufzte leise. Er hatte die Stiefel draußen vor der Tür gründlich abgetreten, so wie er es auch gelernt hatte, als er damit begonnen hatte, Stiefel zu tragen.
„Wenn du jetzt hier bist“, konterte er, „wer nörgelt dann an Slade Barlow herum?“
„Sheas Mama ist früher angekommen“, antwortete sie und spießte mit einer Fleischgabel Hähnchenteile auf, um sie auf einem großen Teller anzuordnen. „Da dachte ich mir, ich kann auch eher damit anfangen, hier alles in Ordnung zu bringen.“
Hutch trocknete seine Hände ab, dann drehte er sich zu ihr um und räumte grinsend ein: „Mit dem Abendessen da hast du auf jeden Fall schon mal einen guten Anfang gemacht.“
Sie lachte und redete weiter: „Dazu gibt es Kartoffelpüree und Soße, außerdem grüne Bohnen mit Speck und Zwiebeln. Und jetzt setz dich hin, Hutch Carmody. Auf dich wartet die erste ausgewogene Mahlzeit seit einer halben Ewigkeit.“
Er wartete, bis alle Speisen auf dem Tisch standen und Opal sich gesetzt hatte. Erst dann nahm er auch Platz. Voller Ironie dachte er daran, dass er sich vor gar nicht so langer Zeit genau dieses Szenario vorgestellt hatte.
Nur dass da eine andere Frau am Tisch gesessen hatte.
7. KAPITEL
Als Kendra am nächsten Morgen das Herrenhaus an der Rodeo Road betrat, kam es ihr seltsam leer vor, obwohl der größte Teil der Möbel noch immer an seinem Platz stand und die Handwerker hier und da ihrer Arbeit nachgingen.
Sie stand im riesigen Eingangsbereich, legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die fantastische Decke, während sie darauf wartete, dass sie Bedauern oder Traurigkeit verspürte - irgendeine Gefühlsregung in dieser Art, immerhin hatte sie einen Teil ihres Lebens hier verbracht. Lange bevor sie Jeffrey Chamberlain kennengelernt und geheiratet hatte, war es schon ihr größter Wunsch gewesen, in diesem Haus zu leben. Nach ihrer Heirat waren in diesen Zimmern viele Träume mit Leben erfüllt worden, aber auch gestorben.
Daher überraschte es Kendra, dass sie nur Erleichterung verspürte, das wohltuende Gefühl, ein Überbleibsel aus der Vergangenheit abzustoßen und nach vorn zu schauen. Es kam ihr nicht so vor, dass sie einen Teil von sich selbst aufgab, sondern dass sie etwas Überflüssiges abstieß, wodurch sie zu ihrem wahren Selbst fand.
Das besaß etwas Tröstendes, ja sogar Begeisterndes.
Als sie
Weitere Kostenlose Bücher