Der Bernstein-Mensch
gestorben wären, unter meiner Verantwortung …“
„Ich weiß. Ich bitte um Entschuldigung.“
„Sie sind zu alt für so etwas, Dr. Reynolds. Gehen Sie zurück zur Erde. Sie sind – ein Wahnsinniger.“
„Ich weiß. Ein Wahnsinniger.“ Bradley fühlte, wie die Worte emporstiegen und ihn von dieser letzten Charade befreiten. „Ein verrückter, rasender Wahnsinniger.“
Als er in jener Nacht im Bett lag – eine künstliche Nacht natürlich, denn Titans rötliches Leuchten änderte sich nie – und als die blassen Lichter immer matter wurden, lauschte Bradley den Geräuschen der anderen drei, die sich ebenfalls in ihre Zellen zurückzogen.
Tsubata als erster, Mara nur einen Augenblick später. Er sollte mit ihr reden, und er wollte es auch, aber das Gespräch mit Najima hatte ihm jedes Wort verleidet. Sein ganzes Leben lang hatte er nach dem rauhen, wahren Gefühl der Dinge gesucht, und nicht nach dem Schein der Worte, der die Realität umgab. Das Wesen, den Kem, das Ding hinter den Symbolen: das war es, was er wollte. Nicht immer mehr Worte, Berichte, Argumente.
Er war sicher, daß er auf der Erde nichts Solides finden würde. Najima würde morgen umkehren, wenn der Vulkan nicht mehr aktiv seinen eisigen Zorn ausspie. Zurück nach Kuiper und dann auf das wartende Shuttle. In einer flachen Ellipse zum Orb. Von da in einer etwas längeren zur Erde, und der Wahnsinnige wäre unter Dach und Fach.
Er würde sich in der einbalsamierenden Üppigkeit von Luna oder einer der Satellitenstädte zur Ruhe setzen. Unten würde eine spartanische Erde zweifellos die Arbeit am Alpha-Libra-Puzzle und an Titan fortführen. Der Wahnsinnige durfte vielleicht zusehen, aber mehr nicht. Er durfte hinunterspähen, auf einen unförmigen, blauweißen Planeten. Abgetrennt, ausgetrocknet, tot. Ein alter Mann, der an ein summendes Lebenserhaltungs-Modul angeschlossen war, der mit wäßrigen Augen die künstliche Handlung auf dem 3-D verfolgte, der, in eine Welt aus Kissen gebettet, einen Collie auf seinem Schoß streichelte. Zufriedenheit. Der Mühe Lohn. Das Ende.
Nein. Nein.
Najima rumorte immer noch im oberen Stockwerk der Station. Bradley schloß die Augen, um einen Moment lang auszuruhen. Er hatte im Schreiter soviel wie möglich geschlafen, weil er wußte, daß er den Schlaf brauchen würde, und jetzt brauchte er ihn.
Die Geräusche versanken, er begann zu dösen, und ohne daß er es merkte, übermannte ihn der Schlaf.
Er erwachte langsam und spürte, daß er frei von seinem Körper war. Einen unsteten Augenblick lang schwebte er, und etwas in ihm war unschlüssig, ob er nun in diesen verbrauchten, runzligen Kadaver zurückgleiten sollte, der da zwischen den Kissen hingestreckt lag, oder ob er hinauswehen sollte, zu einer neuen, nebelhaften Bestimmung. Und während er diese Frage erwog, schwoll das bunte Summen und Plätschern des Lebens in ihm an: die körnige Beschaffenheit der beharrlich widerstehenden materiellen Welt, die Freudendes Zusammenseins mit anderen, eines einfachen Schwatzes über einer Tasse Kaffee, die Freuden der Arbeit und der Ruhe nach der Arbeit. Alles lag vor ihm ausgebreitet wie bei einem ungeheuren Fest, etwas, was jeden Tag von neuem ergriffen und gewonnen werden mußte. Er erwachte unter dem sachlichen Surren der Ventilation, und sein Erwachen war ein willkürlicher Akt, als hätte er einen Anker losgelassen und triebe jetzt träge an die Oberfläche.
Es war Zeit. (Ja, daran war kein Zweifel.) Zeit war es. Zeit. Zeit. Zeit.
Er stand auf und öffnete die Tür einen Zentimeter weit. Stille. Die Lichter der Station brannten gedämpft. Er trat in den Schatten des Korridors hinaus.
Bei der
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