Der Bernstein-Mensch
hatte elendiglich versagt. Drei seiner Begleiter waren auf dem Mars gestorben. Es war ihm nicht gelungen, die sowjetische Kontamination zu entdecken.
Trotzdem hatte man ihn – Reynolds, den Versager – als den eigentlichen Helden bejubelt. Sims hatte seine vorprogrammierte Aufgabe erfüllt und sonst nichts. Während Reynolds isoliert in Sào Paulo saß und Astronomie studierte, fand er plötzlich seinen Ruhm durch die Sims-Expedition noch vergrößert. Oft, wenn er einen Raum betrat, herrschte plötzlich erwartungsvolles Schweigen; das machte ihn jedesmal nervös. Er bekam mehr sorgfältig formulierte Einladungen als er auch nur beantworten konnte. (Hatte seine Abgeschiedenheit dem Ruhm Nahrung gegeben? Er wußte es nicht. Nachträgliche Überlegungen legten sich wie ein Film über die Vergangenheit.)
Und vielleicht bin ich noch einmal ein Held, dachte er, als er an die Metalltür von Sims’ Büro klopfte. Vielleicht las man in der Welt dort unten wieder jeden Tag von ihm. Seit der Nacht vor seiner ersten Reise zu dem Schiff hatte er keine Nachrichten mehr gehört. Ob man schon die ganze Geschichte veröffentlicht hatte? Er sah eigentlich keinen Grund, weshalb man sie zurückhalten sollte, aber das wollte nichts heißen. Diese Leute entblößten sich niemals freiwillig in der Öffentlichkeit. Trotzdem wäre es interessant, das zu erfahren. Er würde Sims fragen. Sims würde es wissen.
Die Tür öffnete sich, und Reynolds trat ein. Sims war ein großer Mann, der sein schwarzes Haar ganz kurz geschnitten trug. Diese Frisur war seit dreißig oder vierzig Jahren aus der Mode; Reynolds bezweifelte, daß es im ganzen Universum noch einen Mann mit einem solchen Haarschnitt gab. Aber Sims konnte er sich nicht anders vorstellen.
„Stimmt irgend etwas nicht?“ fragte Sims, und damit hatte er gleich ins Schwarze getroffen. Er führte Reynolds zu einem Sessel und ließ ihn Platz nehmen. Das Büro war groß, aber kahl. Auf dem Schreibtisch stand ein Ortstelefon, daneben lagen ein paar Tagesberichte. Sims war Assistent der Verwaltungsleitung, was immer das sein mochte. Reynolds war die Funktion dieser Position nie klargewesen – falls sie überhaupt eine hatte. Aber eines war klar: Sims wußte mehr über die internen Vorgänge auf der Mondbasis als irgend jemand sonst. Einschließlich des Direktors.
„Es geht um Vonda“, sagte Reynolds. Sims nannte jeden beim Vornamen. Vonda war Vonda Kelly. Der Name hatte einen seltsamen Geschmack für Reynolds. „Warum ißt sie nicht in der Cafeteria?“
Sims antwortete, ohne zu zögern. „Weil sie Angst hat, ihren Schreibtisch zu verlassen.“
„Es hat etwas mit den Aliens zu tun, nicht wahr?“
„Allerdings, aber ich dürfte dir eigentlich nicht sagen, was. Sie will nicht, daß du es weißt.“
„Sag’s mir. Bitte.“ Seine Verzweiflung ließ das Lächeln von Sims’ Lippen verschwinden. Und beinahe hätte er noch hinzugefügt: um der alten Zeiten willen. Er war froh, daß er sich beherrscht hatte.
„Der Hauptgrund ist der Krieg“, sagte Sims. „Wenn er anfängt, will sie es gleich wissen.“
„Wird er anfangen?“
Sims schüttelte den Kopf. „Ich bin vielleicht schlau, aber ich bin nicht der liebe Gott. Ich nehme an, alles wird wie gewöhnlich funktionieren, wenn nicht jemand einen dummen Fehler begeht. Schlimmstenfalls gibt es einen kleinen, regionalen Krieg, der vielleicht einen Monat dauert. Aber wie weit kann man sich darauf verlassen, daß Politiker sich intelligent benehmen? Das geht gegen ihre Natur.“
„Aber was ist mit den Aliens?“
„Nun, wie gesagt, das gehört mit dazu.“ Sims steckte seine Pfeife in den Mund. Reynolds hatte sie noch nie brennend gesehen, hatte noch nie gesehen, daß er sie rauchte, aber immer hing die Pfeife dort zwischen seinen
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