Der beste Tag meines Lebens
auf diesen Seiten öfter auftauchst als jeder andere, der nicht zu meiner Familie gehört, außer Melissa Greer.« Colin überlegte kurz und fügte dann hinzu: »Melissa ist meine Freundin.«
»Deine Freundin«, wiederholte Wayne.
»Ja«, sagte Colin. »Melissa war schon immer nett zu mir.«
»Und du, ähm … schreibst nur die netten Dinge auf, die die Leute machen?«
»Äh, nein.«
»Und wie lange machst du das schon?«
»Seit ich schreiben kann«, erklärte Colin.
»Verstehe.«
Wayne legte auch die zweite Zeitschrift wieder zurück und ließ sich neben Colin auf den Boden plumpsen.
»Jetzt mal im Ernst, Alter«, sagte er. »Was zum Teufel stimmt bei dir nicht?«
»Das Asperger-Syndrom ist eine neurologische Störung, ausgelöst durch …«
»Ja-ha«, unterbrach Wayne ihn. »Ich weiß schon, dass du so ein superschlauer Behinderter bist. Ich meine aber …
was zum Teufel stimmt bei dir nicht?
Was treibst du hier? Warum versuchst du, mir zu helfen?«
»Weil du unschuldig bist.«
»Unschuldig.« Wayne lehnte sich mit dem Rücken an das Regal und schüttelte den Kopf. »Nee, Mann. Sicher nicht. Nur diesmal war ich’s nicht.«
»Colin«, sagte in diesem Moment eine Männerstimme. Colin erkannte sie sofort. Er schaute hoch und sah seinen Vater vor sich stehen und sie beide anstarren. Er sah BESORGT aus.
»Hallo, Dad«, sagte Colin. »Wie war dein Tag?«
»Gut.« Mr. Fischers Augen verengten sich, als brauche er einen Moment, um den Anblick seines Sohnes zu verarbeiten, der da mit Wayne Connelly auf dem Boden hockte. »Lasst uns heimfahren.«
***
Sie waren schon fast in Waynes Gegend, als das Schweigen endlich gebrochen wurde. »Also, Wayne«, sagte Mr. Fischer. »Du und Colin … ihr seid also Freunde. Schulfreunde?«
Das klang ein bisschen wie ein Test, und das war es in gewisser Weise auch. Mr. Fischer wusste sehr gut, dass sich Dinge zwischen Kindern, vor allem zwischen Jungs, im Laufe der Zeit ändern können. Aus Feindschaft konnte Freundschaft entstehen, wie schon im Epos von Gilgamesch und Enkidu nachzulesen ist. [24] Dieser Freund hier war allerdings nicht gerade jemand, den er für seinen Sohn ausgesucht hätte, aber Mr. Fischer wusste sehr gut, dass er in diesem Punkt keine Wahl zu treffen hatte.
»Äh, ja«, presste Wayne hervor.
»Wayne war der Grund, warum ich am ersten Tag früher aus der Schule gekommen bin«, bot Colin plötzlich als Erklärung an. »Er hat meinen Kopf ins Waschbecken getaucht und dann noch in die Toilette und die Spülung gedrückt.«
Mr. Fischer zwang sich zu einem Lächeln. Wayne rutschte unruhig auf seinem Platz herum.
»Äh, ja«, sagte Wayne wieder und hoffte, Colin würde es dabei belassen.
»Die Leute glauben, er hätte eine Pistole mit in die Schule gebracht, aber ich weiß, dass er’s nicht war, weil der Pistolengriff voller Kuchenglasur war und Wayne sehr ordentlich isst.« Colin war sich sicher, dass die Auflistung der Fakten jegliche Bedenken zerstreuen würde, die sein Vater haben mochte.
Mr. Fischer warf Wayne durch den Rückspiegel einen Blick zu, der eine Mischung aus fragend und warnend war. Je mehr er erfuhr, desto größer wurde seine Verwirrung. »Das ist ja … großartig«, sagte er.
Gnädigerweise hielt Mr. Fischers Sedan kurz darauf am Gehsteig vor Waynes Zuhause. Colin registrierte, während Wayne wortlos ausstieg, dass jemand den pinkfarbenen Roller reingeholt hatte.
Er hatte schon den halben Weg zur Haustür zurückgelegt, als Colins Vater ihn zurückrief.
»Warte mal, Wayne.«
Wayne holte tief Luft. Mr. Fischer stand neben der Fahrertür und sah extrem unbehaglich drein. »Glaubst du, deinen Eltern würde es was ausmachen, wenn ich kurz mit ihnen rede?«
Wayne starrte auf seine Schuhe. »Das ginge schon. Sie sind aber nicht zu Hause. Sie gehen viel weg. Ins Kino, wissen Sie.«
Colin beobachtete das Gespräch vom Rücksitz aus. Erstaunt zog er die Nase kraus, denn diese emotionale Reaktion hatte er bei Wayne noch nie beobachtet. Colin hätte gar nicht gedacht, dass er dazu in der Lage wäre. Ihm blieb nichts anderes übrig, als einen Blick auf seinen Spickzettel zu werfen. Er ging die Bilder durch und war schließlich gezwungen zu akzeptieren, was unbestreitbar war:
Wayne Connelly hatte ANGST .
Mr. Fischer trommelte mit den Fingern aufs Autodach und erwog die Vor- und Nachteile davon, wenn er einfach zur Tür der Connellys mitkam, ob es Wayne nun passte oder nicht. Er brauchte dazu nicht die Erlaubnis dieses
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