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Der Besuch der alten Dame (German Edition)

Der Besuch der alten Dame (German Edition)

Titel: Der Besuch der alten Dame (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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sondern Gott, nicht den Tod des Leibes, den der Seele. Knöpfe den Talar hinten zu, Sigrist.
    Überall an den Wänden der Bühne werden die Güllener sichtbar, der Polizist zuerst, der Bürgermeister, die Vier, der Maler, der Lehrer, herumspähend, die Gewehre schußbereit, herumschleichend.
     
    ILL Es geht um mein Leben.
    DER PFARRER Um Ihr ewiges Leben.
    ILL Der Wohlstand steht auf.
    DER PFARRER Das Gespenst Ihres Gewissens.
    ILL Die Leute sind fröhlich. Die Mädchen schmücken sich. Die Burschen tragen bunte Hemden. Die Stadt bereitet sich auf das Fest meiner Ermordung vor, und ich krepiere vor Entsetzen.
    DER PFARRER Positiv, nur positiv, was Sie durchmachen.
    ILL Es ist die Hölle.
    DER PFARRER Die Hölle liegt in Ihnen. Sie sind älter als ich und meinen die Menschen zu kennen, doch kennt man nur sich. Weil Sie ein Mädchen um Geld verraten haben, einst vor vielen Jahren, glauben Sie, auch die Menschen würden Sie nun um Geld verraten. Sie schließen von sich selbst auf andere. Nur allzu natürlich. Der Grund unserer Furcht liegt in unserem Herzen, liegt in unserer Sünde: Wenn Sie dies erkennen, besiegen Sie, was Sie quält, erhalten Waffen, dies zu vermögen.
    ILL Siemethofers haben sich eine Waschmaschine angeschafft.
    DER PFARRER Kümmern Sie sich nicht darum.
    ILL Auf Kredit.
    DER PFARRER Kümmern Sie sich um die Unsterblichkeit Ihrer Seele.
    ILL Stockers einen Fernsehapparat.
    DER PFARRER Beten Sie. Sigrist, das Beffchen.
    Der Sigrist bindet dem Pfarrer das Beffchen um.
     
    DER PFARRER Durchforschen Sie Ihr Gewissen. Gehen Sie den Weg der Reue, sonst entzündet die Welt Ihre Furcht immer wieder. Es ist der einzige Weg. Wir vermögen nichts anderes.
    Schweigen. Die Männer mit ihren Gewehren verschwinden wieder. Schatten an den Rändern der Bühne. Die Feuerglocke beginnt zu bimmeln.
     
    DER PFARRER Nun muß ich meines Amtes walten, Ill, muß taufen. Die Bibel, Sigrist, die Liturgie, das Psalmenbuch. Das Kindchen beginnt zu schreien, muß in Sicherheit gerückt werden, in den einzigen Schimmer, der unsere Welt erhellt.
    Eine zweite Glocke beginnt zu läuten.
     
    ILL Eine zweite Glocke?
    DER PFARRER Der Ton ist hervorragend. Nicht? Voll und kräftig. Positiv, nur positiv.
    ILL schreit auf Auch Sie, Pfarrer! Auch Sie!
    DER PFARRER wirft sich gegen Ill und umklammert ihn Flieh! Wir sind schwach, Christen und Heiden. Flieh, die Glocke dröhnt in Güllen, die Glocke des Verrats. Flieh, führe uns nicht in Versuchung, indem du bleibst.
    Es fallen zwei Schüsse. Ill sinkt zu Boden, der Pfarrer kauert bei ihm.
     
    DER PFARRER Flieh! Flieh!
    Ill erhebt sich, nimmt das Gewehr des Pfarrers, links ab.
     
    CLAIRE ZACHANASSIAN Boby, man schießt.
    DER BUTLER In der Tat, gnädige Frau.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Weshalb denn?
    DER BUTLER Der Panther ist entwichen.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Hat man ihn getroffen?
    DER BUTLER Er liegt tot vor Ills Laden.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Schade um das Tierchen. Einen Trauermarsch, Roby.
    Trauermarsch von der Gitarre gespielt.
     
    DER BUTLER Die Güllener versammeln sich, Ihnen ihr Beileid auszudrücken, gnädige Frau.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Sollen sie.
    Der Butler ab. Von rechts kommt der Lehrer mit dem gemischten Chor.
     
    DER LEHRER Verehrte, gnädige Frau.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Was wollen Sie denn, Lehrer von Güllen?
    DER LEHRER Wir sind aus einer großen Gefahr errettet worden. Der schwarze Panther schlich unheilbrütend durch unsere Gassen. Doch wenn wir auch befreit aufatmen, so beklagen wir dennoch den Tod einer so kostbaren zoologischen Rarität. Die Tierwelt wird ärmer, wo Menschen hausen, wir übersehen keineswegs dieses tragische Dilemma. Wir möchten deshalb einen Choral anstimmen. Eine Trauerode, gnädige Frau. Komponiert von Heinrich Schütz.
    CLAIRE ZACHANASSIAN Schön, stimmt diese Trauerode an.
    Der Lehrer beginnt zu dirigieren. Von rechts kommt Ill mit einem Gewehr.
     
    ILL Schweigt!
    Die Güllener schweigen erschrocken.
     
    ILL Dieser Trauergesang! Warum singt ihr diesen Trauergesang?
    DER LEHRER Aber Herr Ill, in Anbetracht des Todes des schwarzen Panthers –
    ILL Auf meinen Tod übt ihr dieses Lied, auf meinen Tod!
    DER BÜRGERMEISTER Herr Ill, ich muß doch sehr bitten.
    ILL Packt euch fort! Schert euch nach Hause!
    Die Güllener verziehen sich.
     
    CLAIRE ZACHANASSIAN Fahr etwas mit deinem Porsche aus, Hoby.
    GATTE VIII Aber Hopsi –
    CLAIRE ZACHANASSIAN Verschwinde!
    Gatte ab.
     
    ILL Klara!
    CLAIRE ZACHANASSIAN Alfred! Warum störst du denn die

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