Der Besuch
weil Mrs. Mendham ... Mag sein, daß ich ein Schwächling bin, aber ich bin noch immer ein Ehrenmann.“
„Wirklich, Hillyer ...“
„Ich versichere Ihnen, daß es wahr ist.“ Ein Unterton von hysterischer Verzweiflung lag in der Stimme des Vikars. „Ich habe auf ihn geschossen, weil ich ihn für einen Flamingo gehalten habe, und seinen Flügel getroffen.“
„Ich habe gedacht, das sei ein Fall für den Bischof. Nun sehe ich aber, daß es ein Fall für das Irrenhaus ist.“
„Sehen Sie sich ihn an, Mendham!“
„Aber es gibt keine Engel.“
„Wir erzählen den Leuten das Gegenteil“, sagte der Vikar.
„Nicht in körperhafter Gestalt“, erwiderte der Kurat.
„Wie dem auch sei, sehen Sie sich ihn an.“
„Ich will Ihre Halluzinationen nicht sehen“, begann der Kurat.
„Ich kann überhaupt nichts erklären, solange Sie ihn nicht sehen“, sagte der Vikar. „Etwas Engelhafteres gibt es weder im Himmel noch auf Erden. Sie müssen ihn einfach sehen, um es zu verstehen.“
„Ich will es gar nicht verstehen“, sagte der Kurat. „Ich will mich nicht für einen Betrug hergeben. Sicher, Hillyer, wenn das nicht ein Betrug ist, dann können Sie es mir auch sagen ... Flamingo, ja!“
16
Der Engel hatte seinen Tee ausgetrunken und schaute nun nachdenklich aus dem Fenster. Er fand die alte Kirche unten im Tal, die von den Strahlen der untergehenden Sonne gestreift wurde, sehr schön, aber mit den dichtgedrängten Grabsteinreihen, die sich drüben auf den Hügel hinaufzogen, konnte er nichts anfangen.
Als Mendham und der Vikar hereinkamen, drehte er sich um.
Nun, Mendham konnte seinen Vikar gewiß ziemlich tyrannisieren, ebenso wie er seine Kirchengemeinde tyrannisieren konnte; aber er war nicht der Typ eines Menschen, der einen Fremden tyrannisiert. Er erblickte, den Engel und ließ die Theorie von der „seltsamen Frau“ fallen. Die Schönheit des Engels war zu offensichtlich die eines Jünglings.
„Mr. Hillyer erzählt mir“, begann Mendham in beinahe entschuldigendem Ton, „daß Sie –
ah – es ist so komisch – ein Engel sein wollen.“
„Sind“, sagte der Vikar.
Der Engel verbeugte sich.
„Natürlich“, sagte Mendham, „sind wir neugierig.“
„Sicher“, sagte der Engel. „Die Schwärze und die Form.“
„Wie bitte?“ sagte Mendham.
„Die Schwärze und die Rockschöße“, wiederholte der Engel, „und keine Flügel.“
„Ganz recht“, sagte Mendham, der nun gänzlich in Verlegenheit geriet. „Wir sind natürlich neugierig, zu erfahren, wie Sie in solch eigentümlicher Kleidung in dieses Dorf gekommen sind.“
Der Engel blickte den Vikar an. Der Vikar faßte sich ans Kinn.
„Wissen Sie“, begann der Vikar.
„Lassen Sie ihn erklären“, sagte Mendham,
„ich bitte darum.“
„Ich wollte andeuten“, begann der Vikar.
„Und ich will nicht, daß Sie andeuten.“
„Zum Teufel!“ sagte der Vikar.
Der Engel blickte von einem zum anderen.
„Eure Gesichter sind plötzlich so voller Falten!“ sagte er.
„Sehen Sie, Mr. – Mr. – Ich kenne Ihren Namen nicht“, sagte Mendham, nun schon weniger verbindlich. „Es geht um folgendes: Meine Frau – vier Damen, möchte ich sagen –, spielen Rasentennis, als Sie plötzlich auf sie losstürzen, Sir; sie stürzen sehr spärlich bekleidet aus den Rhododendren auf sie los.
Sie und Mr. Hillyer.“
„Aber ich ...“, sagte der Vikar.
„Ich weiß. Es war die Bekleidung dieses Herrn, die unvollständig war. Selbstverständlich steht es mir zu – ist es eigentlich meine Aufgabe –, eine Erklärung zu verlangen.“ Der Engel lächelte ein wenig über seinen aufsteigenden Zorn und über die plötzliche Entschlossenheit – die Arme fest verschränkt.
„Diese Welt ist für mich ziemlich neu“, begann der Engel.
„Mindestens neunzehn Jahre“, sagte Mendham. „Alt genug, um es besser wissen zu können. Das ist eine unzureichende Entschuldigung.“
„Darf ich zuerst eine Frage stellen?“ sagte der Engel.
„Bitte!“
„Glaubst du, ich sei ein Mensch – so wie du?
Wie dies auch der karierte Mann getan hat.“
„Wenn Sie kein Mensch sind ...“
„Eine weitere Frage. Hast du jemals etwas von Engeln gehört?“
„Ich warne Sie davor, diese Geschichte auch bei mir zu versuchen“, sagte Mendham, der jetzt wieder bei seiner vertrauten, ständig wachsenden Lautstärke angelangt war.
Der Vikar unterbrach ihn: „Aber Mendham –
er hat Flügel!“
„Bitte, lassen Sie mich mit ihm sprechen“,
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