Der Besuch
sagte Mendham.
„Du bist so seltsam“, sagte der Engel, „du unterbrichst mich bei jedem Satz.“
„Aber was haben Sie zu sagen?“ sagte Mendham.
„Daß ich ein Engel bin ...“
„Bah!“
„Schon wieder!“
„Aber sagen Sie mir ehrlich, wie Sie dazu kommen, sich im Gebüsch des Pfarrhauses von Siddermorton aufzuhalten – in dem Zustand, in dem Sie waren, und in Gesellschaft des Vikars? Können Sie von dieser lächerlichen Geschichte nicht abgehen ...?“ Der Engel zuckte seine Flügel. „Was ist mit diesem Mann los?“ fragte er den Vikar.
„Lieber Mendham“, sagte der Vikar, „darf ich einiges erklären ...“
„Sicher ist meine Frage eindeutig genug!“
„Aber du akzeptierst nur die Antwort, die du hören willst, und es ist sinnlos, dir eine andere zu geben.“
„Pah!“ sagte der Kurat wieder. Und dann, sich plötzlich an den Vikar wendend: „Wo kommt er her?“
Der Vikar befand sich gerade in schrecklichen Zweifeln.
„Er sagt, er sei ein Engel!“ sagte der Vikar.
„Warum hören Sie ihm nicht zu?“
„Kein Engel würde vier Damen in Schrecken versetzen ...“
„Ist es das, worum es geht?“ sagte der Engel.
„Das genügt wohl, würde ich meinen!“ sagte der Kurat.
„Aber ich habe es wirklich nicht gewußt“, sagte der Engel.
„Das ist einfach zu viel!“
„Es tut mir aufrichtig leid, daß ich diese Damen in Schrecken versetzt habe.“
„Das soll Ihnen auch leid tun. Aber ich sehe schon, ich werde aus Ihnen beiden nichts herausbekommen.“ Mendham ging zur Tür. „Ich bin überzeugt, daß an dieser Sache irgend etwas von Grund auf faul ist. Warum sonst erzählt man keine einfache, leicht verständliche Geschichte? Ich gebe zu, daß Sie mich verwirren. Warum Sie mir in diesem aufgeklärten Zeitalter eine so phantastische, an den Haaren herbeigezogene Geschichte von einem Engel erzählen, geht über meinen Verstand. Wozu soll das gut sein ...?
„Aber warten Sie, sehen Sie sich seine Flügel an!“ sagte der Vikar. „Ich kann Ihnen versichern, er hat Flügel!“ Mendham hatte die Finger am Türgriff. „Ich habe schon genug gesehen“, sagte er. „Vielleicht ist das einfach ein törichter Versuch eines Schwindels, Hillyer.“
„Aber Mendham!“ sagte der Vikar.
Der Kurat blieb am Eingang stehen und blickte den Vikar über die Schulter an. Das abschließende Urteil einer monatelangen Erfahrung fand Ausdruck: „Hillyer, ich kann nicht verstehen, weshalb Sie in der Kirche sind. Bei Gott, ich kann es nicht verstehen. Viele Dinge liegen in der Luft: gesellschaftliche Umwälzungen, wirtschaftliche Veränderungen, die Frauenbewegung, Knickerbocker, die Wiedervereinigung des Christentums, Sozialismus, Individualismus – all diese brennenden Fragen der Zeit! Sicher, wir, die dem Großen Reformator folgen ... Und Sie stopfen Vögel aus und erschrecken in stumpfer Gleichgültigkeit Damen ...“
„Aber Mendham“, begann der Vikar.
Der Kurat wollte ihn nicht anhören. „Sie machen mit Ihrer Leichtfertigkeit den Aposteln Schande ... Aber das ist erst eine vorläufige Ermittlung“, sagte er mit drohendem Unterton in seiner sonoren Stimme, und damit verschwand er jäh unter heftigem Zuschlagen der Tür aus dem Zimmer.
17
„Sind alle Menschen so seltsam wie er?“ fragte der Engel.
„Ich bin in einer derart schwierigen Lage“, sagte der Vikar. „Verstehen Sie“, er hielt inne und griff sich ans Kinn – er suchte nach einer Idee.
„Allmählich verstehe ich“, sagte der Engel.
„Sie werden es nicht glauben.“
„Ich verstehe das.“
„Sie werden denken, ich lüge.“
„Und?“
„Das wird mir außerordentlich peinlich sein.“
„Peinlich ...! Pein? Schmerz?“ sagte der Engel. „Hoffentlich nicht.“ Der Vikar schüttelte seinen Kopf. Das gute Ansehen des Dorfes war bisher sein ganzer Lebensinhalt gewesen. „Wissen Sie“, sagte er, „es wäre um so vieles glaubwürdiger, wenn Sie sagten, Sie wären nur ein Mensch.“
„Aber ich bin keiner“, sagte der Engel.
„Nein, Sie sind keiner“, gab der Vikar zu.
„Das geht also nicht.“
„Wissen Sie, keiner hier hat jemals einen Engel gesehen oder von einem gehört – außer in der Kirche. Wenn Sie Ihr Debut vor dem Altar gegeben hätten – am Sonntag –, dann wäre es wahrscheinlich anders gewesen. Aber dafür ist es nun zu spät ... Zum Teufel! Niemand, absolut niemand, wird an Sie glauben.“
„Ich hoffe, ich mache dir keine Unannehmlichkeiten?“
„Durchaus nicht“, sagte der
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