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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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war ihr abhandengekommen. Wie so vieles andere. »Ich bin hier.«
    Selbst schuld. Schuldig . Vier tote Frauen. Aufgeschlitzt. Ausgestochen. Beschmutzt. Nur die graue Katze hatte sie retten können. Nur eine kleine graue Katze. Anfang und Ende. Bin ich schuldig? Habe ich etwas versäumt? Aber sie hätten mir ja doch nicht geglaubt. Sie haben mir noch nie geglaubt . Manche Dinge geschehen einfach, und man kann nichts dagegen tun. Das habe ich schon vor langer Zeit begriffen.
    Schon viel zu lange . Irgendwann muss Schluss sein. Irgendwann ...
    »Ich weiß einen guten Platz in deiner Nähe«, zwang seine Stimme sie wieder in die Gegenwart zurück. »Ein hübscher kleiner See. Ich machte dort erst kürzlich die Bekanntschaft einer jungen Dame.«
    Sie schloss die Augen. »Ja«, sagte sie. »Ich habe davon gehört.«
    »Wirklich?« Es klang amüsiert. »Ich dachte, wir könnten uns dort treffen.«
    »Ja.«
    »Gut.« Er schien zufrieden. »Sagen wir in einer Stunde, denn natürlich wirst du zuerst die Polizei anrufen wollen, nicht wahr?«
    Sie dachte an gestern. Hat er das je getan? Hat er Sie jemals angegriffen ?, hörte sie die junge Kommissarin fragen. Sah ihren ungläubigen Blick. Und Sie konnten nichts dagegen tun?
    »Nein«, sagte sie. »Nein, das will ich nicht tun.«
    Er zögerte erneut. Irgendetwas an ihrem Verhalten schien ihn zu irritieren. Etwas, was sie tat oder sagte, entsprach nicht seinen Erwartungen. »Also schön.« Aus seiner Stimme war jetzt alle Sanftheit gewichen. Die Worte klangen hart und unbarmherzig. »Es hätte auch gar keinen Sinn, wie du weißt. Sie würden kommen und warten und mich niemals zu Gesicht kriegen. Das würde sie frustrieren, meinst du nicht auch? Und wir beide müssten unsere Verabredung erneut verschieben, auf einen Zeitpunkt, wo wir unter uns sind.«
    Für einen flüchtigen Augenblick hatte sie das unbestimmte Gefühl, als sei ihm das nicht unlieb. Es zu verschieben. Aufzuschieben. Heut’ oder morgen. Oder den übernächsten Tag... »Ja«, antwortete sie. »Ja, ich weiß.«
    »Gut«, entgegnete er. Es klang, als lobe ein Lehrer seinegelehrige Schülerin. »Dann sehen wir uns also in einer Stunde am See.«
    »Ich werde da sein.«
    Aus der Leitung ertönte ein Knacken.
    Die Verbindung war unterbrochen.
     
     
     
    In Marianne Siemssens Bungalow war es still wie in einem Kloster. Verhoeven und Winnie Heller hatten sich schnell davon überzeugt, dass die Inhaberin des Fitness- Studios tatsächlich nicht zu Hause war. Es gab keinerlei Hinweise, dass jemand versucht hatte, sich gewaltsam Zutritt zu dem Haus zu verschaffen, es gab keine Verwüstungen, und alle Fenster waren fest verschlossen. Doch das konnte Verhoeven nicht beruhigen. Bei ihrer Rückkehr hatten sie erfahren, dass Marianne Siemssen an diesem Morgen noch nicht im Studio gewesen war. Werneuchen hatte vergeblich versucht, sie telefonisch zu erreichen. Er hatte eine Streife zu ihrem Bungalow geschickt, die Beamten hatten geklingelt und geklopft, doch alles war still geblieben.
    An meinen Türen sind Schlösser, damit ich bestimmen kann, wer mein Haus betritt , hatte Marianne Siemssen gesagt. Verhoeven hatte diese Schlösser aufbrechen lassen. Sie sahen sich gründlich in den Zimmern um, die nur spärlich möbliert waren. Alles wirkte irgendwie provisorisch. Im Schlafzimmer stand ein bezogenes Klappbett. Ein billiger Kleiderschrank, Sofa, Couchtisch, Einbauküche. Die Räume, in denen Marianne Siemssen ihr Leben verbrachte, verrieten sie nicht. An den Wänden hingen keine Bilder. Auf dem Schreibtisch standen keine Fotos. Nur Bücher gab es überreichlich. Sie lagen überall, manche in Kisten, manche einfachauf dem Boden, kniehohe Stapel. Goethe und Eichendorff , Fontane und Rilke, Historisches und psychologische Abhandlungen.
    In der Spüle fanden sie benutztes Geschirr, das auf ein Frühstück hindeutete. Einen Teller, Löffel, Kaffeebecher. »Wo kann sie hingefahren sein?«
    Bei ihrer Ankunft hatten sie die Garage leer gefunden.
    Verhoeven antwortete nicht. Er stand am Küchenfenster und blickte über die Terrasse hinweg zum nahen Waldrand hinüber. Mit ein wenig Glück konnte man von hier aus sicher Rehe beobachten. Von der großzügigen Rasenfläche hinter dem Haus war der Schnee fast weggetaut. Obstbäume standen dort. Die Nachbarhäuser waren durch Bäume und Sträucher verdeckt. Eine Gegend, in der man Wert auf Privatsphäre legte.
    »Schließlich kann sie doch gar nicht wissen, dass Raphael Martin tatsächlich noch

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