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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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haben alles falsch gemacht. Wie konnten wir so dumm sein, anzunehmen, dieser Mistkerl würde brav auf uns warten, um sich festnehmen zu lassen?«
    »Aber woher sollte er denn wissen, dass wir ihm so dicht auf den Fersen sind?«, widersprach Bredeney scheppernd. »Vielleicht ist er einfach irgendwo aufgehalten worden.«
    »Unsinn«, herrschte Verhoeven ihn an. »Er weiß es. Wir haben einen gottverdammten Fehler gemacht.« Er wechselte auf die rechte Spur und riss seiner Kollegin das Funkgerät aus der Hand. Er wusste nicht, ob das, was er tat, zu verantworten war. Er dachte auch nicht darüber nach. Er handelte einfach. »Wir kehren auf der Stelle um ... Hinnrichs soll eine Großfahndung nach Richard Jannsen alias Raphael Martin einleiten. Und sorg dafür, dass jemand bei der Siemssen ist. Ihr Telefon muss überwacht werden.« Er schluckte. »Irgendwo da draußen läuft ein siebenfacher Mörder herum, der sich sein eigentliches Opfer bis zum Schluss aufgehoben hat.«
     
     
     
    Schrill durchbrach der Klingelton die Stille des Hauses. Er wurde von den kahlen Wänden, an denen keine Bilder hingen, zurückgeworfen und hüllte Marianne Siemssen in ein Meer aus Klang. Sie war nicht zusammengezuckt, als das Telefon zu klingeln begonnen hatte, und sie wunderte sich darüber. Eine ganze Weile betrachtete sie den Apparat, der nicht aufhören wollte zu klingeln. Dann hob sie ab. Sie sagte nichts, nannte nicht ihren Namen, sondern lauschte nur in die plötzliche Stille und wartete.
    »Hallo, Marianne«, meldete sich eine Stimme, die verzerrt klang, weil sie den Hörer ein Stück vom Ohr weghielt.
    Sie wusste sofort, dass er es war. Seine Stimme war etwas dunkler geworden, aber der Tonfall war noch derselbe wie damals. »Hallo, Raphael.« Obwohl sie leise gesprochen hatte, schien es ihr, als würden ihre Worte durch ein unsichtbares Mikrofon verstärkt. Blechern hallten sie durch das Zimmer. Verfingen sich. Echos ihrer selbst.
    »Wie schön, dass du dich an mich erinnerst.« Es klang harmlos, wie er das sagte. Ja, dachte sie, beinahe könnte man ihm glauben. »Das hatte ich gar nicht zu hoffen gewagt, nach all diesen Jahren.«
    Sie starrte auf das Titelblatt eines Modejournals, das vor ihr auf dem Couchtisch lag. »Ich habe dich erwartet«, sagte sie.
    »Tatsächlich?« Einen flüchtigen Augenblick lang schien es ihr, als irritiere ihn diese Antwort. Doch falls es so war, fing er sich schnell. »Ich bin gerade in der Gegend und dachte, wir könnten uns vielleicht treffen. Um der alten Zeiten willen.«
    »Wie du meinst«, hörte sie sich sagen.
    »Eigentlich hatte ich vor, gelegentlich bei dir vorbeizukommen«, fuhr er eifrig fort. Ihr Entgegenkommen schien ihn nicht länger zu verwundern. »Aber jetzt habe ich auf einmal das Gefühl, dass das keine so gute Idee wäre . . .« Mit dem letzten Satz hatte sich das Timbre der Stimme verändert.
    Für einen Moment war es totenstill in der Leitung.
    »Ich habe von dir geträumt«, sagte er dann.
    Sie blickte durch die Terrassentür in den Garten hinaus, der offen vor ihr lag. Sie hatte tatsächlich vergessen, die Vorhänge zuzuziehen. Vorhin. Wie hatte ihr das passieren können? Der Rasen sah wie eine überdimensionale graugrüne Marmorplatte aus, eine Grabplatte, die alles unter sich verschloss. Die Verwesungsgase. Das Ungeziefer. Einzementierte Ruhe.
    »Ich habe auch von dir geträumt«, sagte sie, und sie wundertesich nicht einmal über dieses Eingeständnis, denn es entsprach der Wahrheit.
    »Tatsächlich?«
    »Ja.«
    Das Schweigen zwischen ihnen wurde raumgreifend. Aus dem Schlafzimmer drang das Ticken ihres Weckers an ihr Ohr. Zeit, die ablief.
    »Warum ich?« Sie musste es wissen. Einmal im Leben musste sie die Antwort auf diese Frage gehört haben. Ein einziges Mal. Auch wenn es letztendlich keine Rolle mehr spielte. Oder doch?
    Er schwieg. Sie konnte seinen Atem hören. Es war, als stünde er direkt neben ihr.
    »Weil ich da war?«
    Zuerst dachte sie, er werde ihr niemals antworten. Aber schließlich tat er es doch: »Weil du niemals eine Hollywoodschaukel wolltest.«
    Sie nickte. So banal. So simpel. Ein einziges Mal, das spürte sie, hatte er ihr die Wahrheit gesagt. Eine Wahrheit, die sie gesucht hatte, seit sie ihre Flucht begonnen hatte. Warum ich? Was habe ich getan? Wie habe ich ihn auf mich aufmerksam gemacht? Bin ich schuld? Bin ich schuld ?
    »Bist du noch dran?«, flüsterte seine Stimme aus dem Hörer.
    »Ja.« Sie schluckte. Sie würde nicht weinen. Das Weinen

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