Der Beutegaenger
der Leistner ist da. Ist vor einer knappen Dreiviertelstunde gekommen.« Er sah sie an. »Ach ja... Und Ihre Mutter hat angerufen.«
Irgendwie brachte sie es zustande, keine sichtbare Reaktion zu zeigen, ein Umstand, der sie mit tiefer Erleichterung erfüllte. »Alles klar«, entgegnete sie aufgeräumt. »Danke.«
»Gern geschehen.« Bredeney schenkte ihr ein väterliches Lächeln. »Ihre Durchwahl ist übrigens die -32.«
»Wie bitte?«
»Da kann Ihre Mutter Sie dann in Zukunft direkt erreichen.« Bredeneys Blick wanderte von ihr zu Verhoeven. »Oder ist Karls Schreibtisch noch nicht . . . ?«
»Doch«, antworteten der Angesprochene und Winnie Heller unisono.
Bredeney blickte irritiert von einem zum anderen und hob dann in einer entschuldigenden Geste die Hände in die Luft. »Ich wollte nur behilflich sein.«
»Haben Sie alles, was Sie brauchen?«, erkundigte sich Verhoeven, indem er sich anschickte, das Zimmer zu betreten, in dem die Beamten der umliegenden Büros ihre Zeugenbefragungen durchführten.
Winnie Heller legte alle Gleichgültigkeit, die sie im Angesicht dieses leidigen Themas noch zustande brachte, in das Lächeln, mit dem sie ihm antwortete. »Ja, sicher. Alles bestens.«
»Gut, dann wollen wir doch mal hören, was Herr Grabner uns zu sagen hat«, entschied Verhoeven und stieß die Tür auf.
Der Pharmareferent erhob sich von seinem Stuhl, als die beiden Beamten eintraten. Er war mittelgroß, dunkelhaarig und auf eine eigenwillige, fast aggressive Weise gut aussehend. »Meine Frau hat mir berichtet, dass Sie mich sprechen möchten.« Seine Körperhaltung drückte Vorsicht aus. »Wegen Frau Leistner. Sie . . .« Er stutzte. »Ist sie tatsächlich ermordet worden?«
Verhoeven nickte. »Aber Sie hätten doch nicht extra herzukommen brauchen. Wir hätten heute Nachmittag sowieso bei Ihnen vorbeigeschaut.« Und das ist genau das, was du vermeiden wolltest, nicht wahr?, dachte er bei sich.
»Ich war ohnehin in der Gegend«, entgegnete Grabner knapp.
Verhoeven schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln. »Sie schliefen also mit Frau Leistner«, stellte er unsentimental fest.
Grabners schön geschwungene Lippen verzogen sich nach einem Moment des Zögerns zu einem breiten Grinsen. »Wenn Sie es unbedingt so direkt formulieren möchten.«
»Ein einfaches Ja oder Nein würde als Antwort vollkommen genügen«, entgegnete Verhoeven. »Haben Sie einander regelmäßig getroffen?«
»Anfangs ja.«
»Was soll das heißen?«
»In der letzten Zeit wurden unsere Treffen immer seltener.« »Warum?«
»Ich denke, Susanne hatte ein schlechtes Gewissen. Ihrer Familie gegenüber.«
»Ein Gefühl, das Sie nachvollziehen können?«, stichelte Winnie Heller, die hinter Verhoeven an der Wand lehnte, obwohl an seiner Seite gleich zwei Stühle frei waren.
Grabner verzog keine Miene. »Das ist meine Sache«, sagte er.
»Wusste Frau Leistners Ehemann von Ihrer Affäre?«, fragteVerhoeven, indem er wieder an die Chrysantheme dachte, mit der der Mörder Susanne Leistners zerstörten Körper geschmückt hatte. Eine gelbe Totenblume. Eine Glasschale mit roten Gerbera. Weiße Astern. In China und Japan ist Weiß eine offizielle Trauerfarbe , plärrte eine imaginäre Ulla in seinem Kopf.
»Susanne ging jedenfalls davon aus, dass er keine Ahnung hatte.«
»Aber Sie kennen Herrn Leistner?«
Grabner schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Sie sind ihm nie begegnet?«
»Wie ich bereits sagte: Nein.«
Verhoeven glaubte, eine Spur von Gereiztheit in seiner Stimme auszumachen.
»Und ich hatte, ehrlich gesagt, auch kein gesteigertes Interesse an Susannes Familie, falls Sie darauf hinauswollen.« Grabner hob den Kopf und sah Verhoeven direkt in die Augen. »Und um es einmal ganz deutlich zu sagen, da Sie Deutlichkeit ja anscheinend so zu schätzen wissen: Das, was zwischen Susanne und mir lief, war keine große Sache. Wir hatten unseren Spaß und gingen anschließend wieder unserer Wege. Keiner von uns nahm besonderen Anteil am Leben des anderen.«
Verhoeven fragte sich, ob es tatsächlich Bitterkeit war, was er da heraushörte. Der Mann war ein Zyniker, kein Zweifel, aber auch verletzbarer, als er sie glauben machen wollte. Er blickte sich nach Winnie Heller um, die nach wie vor an der Wand lehnte und eine gänzlich unbeteiligte Miene aufgesetzt hatte. »Und wenn Frau Leistner das Verhältnis endgültig beendet hätte?«
»Dann hätte ich ihr alles Gute gewünscht und mich aus ihrem Leben verabschiedet«, antwortete Grabner
Weitere Kostenlose Bücher