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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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was ihren Farbtyp anging, aber sehr wohl über den Namen der Nuance, die ihr ein schieres Unmaß an ungewollter Aufmerksamkeit eintrug.
    »Sieht heiß aus.«
    Du mich auch, du Arsch, dachte sie entnervt.
    »Erlauben Sie?« Die Frage war rein rhetorisch, denn er hatte bereits eine ziemlich dicke Strähne ihres Haars zwischen seine wulstigen Finger genommen. »Interessant«, sagte er nach kurzer, intensiver Begutachtung. »Welche Haarfarbe haben Sie von Natur?«
    Sie sah ihn an. »Keine Ahnung.«
    Er lachte laut und herzlich, als habe sie einen köstlichen Scherz gemacht. Aber sie verstand genau, welche Botschafthinter seinem Heiterkeitsausbruch steckte. Was war das nur für eine Frau, die ihre eigene Haarfarbe nicht kannte! Sie verzog angewidert die Lippen und dachte wieder an den Schreibtisch ihres Vorgängers. An die Reliquie des heiligen Grovius. Ihr Start in dieser Abteilung war wirklich der Knüller des Jahres!
    Indessen hatte Lübke die Strähne zwischen seinen Fingern zur Seite gezogen, sodass sie platt an der Kopfhaut anlag, und musterte den Ansatz. »Hell Mittelbraun«, befand er ohne Zögern.
    Sie hob überrascht den Blick. »Mittelbraun?«
    Er brummte etwas, das wohl Zustimmung ausdrücken sollte.
    »Ich dachte eigentlich, ich sei dunkelblond.«
    Lübke machte eine wegwerfende Geste. »Die meisten Frauen schätzen sich zu hell ein.«
    Winnie Heller starrte ihn an. Im selben Moment stoppte der Lift, und die Türen glitten auseinander. »Warmer oder kalter Farbtyp?«, fragte sie hastig.
    »Eindeutig kalt.« Er schnaufte und presste seine Körpermassen ganz an die Wand der Kabine, um ihr den Vortritt zu lassen. Dann gingen sie gemeinsam in das geräumige Sitzungszimmer hinüber, wo für neun Uhr eine Besprechung im Fall Leistner angesetzt war.
    Draußen regnete es noch immer in Strömen. Auf einem Tisch in der Ecke standen Tassen und mehrere Thermoskannen, und über allem schwebte der Geruch nach erkaltetem Zigarettenrauch. Winnie Heller konnte sich lebhaft vorstellen, wie die hohen Herren hier tagten. Wie selbstgefällig sie sich in ihren Stühlen lümmelten und ...
    »Na?«, fragte Stefan Werneuchen hinter ihr, als sie eben im Begriff war, sich einen Kaffee einzuschenken. »Haben Sie alles gefunden?«
    Sie drehte sich um und streckte ihm die volle Tasse entgegen. »Alles bestens.«
    »Ich meinte eigentlich Ihren Schreibtisch«, sagte Werneuchen, indem er löffelweise Zucker aus einer angeschlagenen Porzellandose in seinen Schwarztee häufte.
    Meinen Schreibtisch!, dachte Winnie Heller. Na, wenn das kein guter Witz war! »Ich war heute früh zwar noch nicht drüben«, entgegnete sie mit einem halbherzigen Lächeln, »aber falls hier nachts nicht irgendwelche Heinzelmännchen umgehen, die Möbel verrücken, rechne ich mir durchaus gute Chancen aus, ihn wiederzufinden.«
    Er schien sich nicht sicher zu sein, ob sie einen Witz gemacht hatte, lachte jedoch vorsichtshalber trotzdem. »Na dann«, sagte er. »Und falls es Probleme mit dem Telefon geben sollte, sagen Sie einfach Bescheid.«
    Sie nickte und setzte sich an die Längsseite des Tisches, Verhoeven gegenüber, der irgendetwas mit Lübke tuschelte und ihr flüchtig zunickte. Sie schielte nach dem Aktendeckel, der vor ihm auf dem Tisch lag, und fragte sich, ob er ihren Bericht gelesen hatte.
    Um Punkt neun betrat Hinnrichs mit der ihm eigenen raumgreifenden Energie das Zimmer. »Also dann«, sagte er und blickte fragend in die Runde. »Was haben wir?«
    Zunächst fasste Verhoeven noch einmal kurz die Obduktionsergebnisse zusammen.
    »Todesursächlich war demnach asphyktischer Sauerstoffmangel infolge mechanischer Behinderung der Atmung«, schloss er. »Aufgrund des Fehlens einer ausgeprägten Strangmarke kommt als Tatwaffe am ehesten ein weiches Tuch, ein Schal oder Ähnliches in Betracht.« Die Beamten blätterten konzentriert in ihren Kopien, während Verhoeven fortfuhr, die Schnittverletzungen zu beschreiben, die der Mörder Susanne Leistner nach ihrem Tod beigebracht hatte. BesondereSorgfalt verwendete er auf die Schilderung der beiden Wunden an den Handgelenken des Opfers, allerdings enthielt er sich zunächst jeder Deutung. Aus den Augenwinkeln registrierte er, dass Winnie Heller sich bereits wieder eifrig Notizen machte, was ihn ärgerte.
    »Was ist mit der Waffe?«, warf Hinnrichs ein, als er geendet hatte. Die Anspannung in seinen Zügen verriet, wie viel Bedeutung er diesem Fall beimaß. »So etwas trägt man doch nicht einfach bei

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