Der Bienenfresser
Glück auf.
Na dann!
Den grünen Audi sah ich schon von weitem. Es waren noch andere Autos an Bord, ein halbes Dutzend etwa. Kaum knirschte die Anlegeklappe auf dem Untergrund, gingen Fußgänger und Radfahrer an Land. Die Autos hatten die Motoren bereits gestartet, mussten aber noch warten, bis sich eine rotweiß gestrichene Schranke öffnete.
Außer dem Kapitän war ein zweiter Mann an Bord, bei dem ich mein Personenticket und einen weiteren Fahrschein für ein Auto bezahlte.
Ich stellte mich neben den grünen Audi A4 und zeigte dem Fahrer das Ticket, das ich für seine Rückfahrt gekauft hatte. Es war ein asketischer, fast dünner Mann um die vierzig, mit scharfen Gesichtszügen und einer gelblich getönten, tropfenförmigen Sonnenbrille. Er entriegelte die Beifahrertür und ich ließ mich auf den Sitz gleiten.
Nachdem ich meinen Leinenbeutel gegen die Mittelkonsole gelehnt hatte, schloss der Pilot das Handschuhfach auf und reichte mir eine gepolsterte Versandtasche. Seine Bewegungen wirkten fahrig, sein Blick war unruhig, einzig die Breitling-Uhr an seinem Handgelenk drückte eine gewisse Solidität aus.
Der Mann hatte Probleme mit seinen Nerven. Mit ihm am Steuerknüppel hätte ich nicht einmal einen Rundflug über den Duisburger Hafen gebucht.
Ich schob den schmalen Umschlag mit den drei großen Scheinen in das Handschuhfach. Er nahm das Kuvert an sich, prüfte das Geld und ließ es in die Innentasche seines Blouson gleiten. Beim Herausziehen seiner Hand zeigte er mir sehr demonstrativ den Griff einer schwarzen Pistole. Ich verstaute die Versandtasche mit der Videokassette in meinem Leinenbeutel und öffnete die Tür.
»Wie abgemacht«, sagte ich.
Er klopfte noch einmal viel sagend auf seine Brusttasche und nickte.
Inzwischen hatten wir den Rhein zu drei viertel überquert.
Der Fahrtwind schickte mir den Geruch von Brackwasser, Industrie und Kuhweide in die Nase. Ich stützte meine Ellbogen auf die Reling und beobachtete die Mitreisenden, die sich schon zum Absprung bereitmachten. Erst jetzt fiel mir auf, dass sich im Steuerstand der Fähre nicht nur der Kapitän, sondern zwei weitere Männer aufhielten. Einer verließ das erhöhte Steuerhaus über die Treppe, der andere unterhielt sich, den Gebärden nach, angeregt mit dem Kapitän.
Diese beiden Figuren – waren sie mit mir zusammen in Walsum an Bord gegangen?
Mein Gedankengang wurde von einem Geräusch
unterbrochen. Es war nicht laut und wurde sofort wieder übertönt, vom stampfenden Diesel, von Wind und Wellen.
Anscheinend maß niemand an Bord diesem Geräusch eine Bedeutung zu. Mich hatte dieses kurze Plop geradezu elektrisiert. Ich blickte zu dem grünen Audi.
Der Fahrer saß am Steuer, in kaum veränderter Stellung, und doch war ich mir sicher, dass er sein Fahrzeug nicht mehr von der Fähre bringen würde, nie mehr – mit einer Kugel im Kopf war das noch niemandem gelungen.
Das Einschussloch an der Schläfe begutachtete ich im Vorbeigehen, auch die Pistole mit dem aufgeschraubten Schalldämpfer: Profiarbeit. Dann quetschte ich mich durch die Reihen der parkenden Wagen.
Ein Bild durchzuckte mich: das Motorrad an der
Kajütenwand!
Alle Autos, die zusammen mit dem grünen Audi von Orsoy nach Walsum übergesetzt waren, hatten die Fähre in Walsum verlassen. Darauf hatte ich geachtet. Das Motorrad hatte ich zwar bemerkt, aber ich hatte es für das Fahrzeug des Kapitäns oder des zweiten Mannes gehalten, weil es gegen Spritzwasser mit einer Persenning abgedeckt war.
Jetzt machten sich dort die beiden Figuren aus dem Steuerhaus zu schaffen.
Mir war ein Fehler unterlaufen. Doch viel Zeit für Selbstkritik blieb mir nicht. Denn in diesem Moment begann der Anlegevorgang. Die Fähre drehte sich zum Land. Polternd senkte sich die Eisenklappe.
Die Motorradfahrer, beide in dicker Lederkleidung, bugsierten ihre Maschine bereits an den Autos vorbei in die vorderste Reihe. Bevor der Ärger losging, weil der grüne Audi den Platz nicht frei machte, würden sie die Fähre verlassen haben.
Wenn sie wirklich die Profikiller waren, für die ich sie hielt, dann hatten sie mich beobachtet. Aber wussten sie auch, dass sich die Kassette bereits in meinem Besitz befand?
Das herauszufinden war leicht. Ich brauchte nur abzuwarten, ob sie mich in die Mangel nehmen würden, gleich nach dem Aussteigen. Ich konnte mich aber auch auf der Fähre verstecken und auf das Eintreffen der Polizei warten, die sich sicher dafür interessieren würde, was ich mit Carlos
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