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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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traf. Er hielt sie bei den Schultern, wartete darauf, dass sie sich trösten ließ.
    Doch das tat sie nicht.
    » Sag es! SAG ES , MIKE !«
    Ich wandte den Blick ab, doch die dumpfen Schläge hörte ich noch immer. Merle hatte die Augen zugemacht. Ich sah, dass auch sie es kaum noch aushielt.
    » Nein! Nein! Nein! Er ist nicht tot!«
    » Ilka …«
    Endlich fing sie an zu weinen und ließ sich von Mike in die Arme nehmen. Er streichelte ihren Rücken, bedeckte ihr Haar mit Küssen. Sie wimmerte und klammerte sich an ihm fest.
    Die Katzen hatten verwirrt das Weite gesucht. Ratlos schaute Merle mich an.
    Wir mussten Hilfe holen.
    Mike war kein Arzt. Wie konnte er sicher sein, dass Thorsten Uhland tot war? Vielleicht konnte er ja noch gerettet werden.
    Ilka beruhigte sich allmählich. Merle reichte ihr ein Taschentuch. Ich goss Milch in einen Topf. In meiner Kindheit war sie das Allheilmittel gewesen, warm oder kalt, pur oder mit Honig gesüßt. Milch hatte mir bei jedem Wehwehchen geholfen.
    Zumindest hatte ich daran geglaubt.
    Dann saßen wir am Küchentisch, und Ilka trank ihre Milch wie eine Verdurstende.
    Die Küche war der Ort, an dem wir uns am häufigsten trafen. An dem wir miteinander quatschten und stritten, traurig und glücklich waren. Unser Zusammenleben fand vor allem hier am Tisch statt.
    Oder, wenn Sommer war, im Innenhof unseres Hauses.
    Auch in unserer alten Wohnung war die Küche der Mittelpunkt gewesen.
    » Es gibt Küchen- und Wohnzimmermenschen«, sagte ich, um überhaupt etwas zu sagen. » Wir gehören eindeutig in die erste Kategorie.«
    » Stimmt.« Merle sah sich um. » Ich liebe alles in diesem Raum. Und euch besonders«, fügte sie hinzu. Sie versuchte zu grinsen, doch es gelang ihr nicht so richtig.
    Ab und zu setzte Ilka den Becher ab, um Luft zu holen. Sie atmete durch den Mund, weil ihre Nase vom Weinen zugeschwollen war.
    Es hatte keinen Sinn, das Thema zu wechseln.
    Wir mussten besprechen, was zu tun war.
    » Er ist tot«, beharrte Mike nach einem vorsichtigen Seitenblick auf Ilka.
    » Wenn Laien das beurteilen könnten«, gab ich zu bedenken, » wär doch jeder x-Beliebige in der Lage, einen Totenschein auszustellen.«
    Merle grübelte vor sich hin.
    » Auf keinen Fall ruf ich die Bullen«, sagte Mike. » Und die werden, glaube ich, in einem solchen Fall automatisch informiert, sobald wir den Notruf wählen.«
    » Was ist mit dem Kommissar?«, fragte ich. » Dem können wir doch vertrauen.«
    » Keine Polizei«, sagte Ilka mit der Stimme eines Vögelchens. So hatte ich sie erst ein einziges Mal erlebt, und das war lange her.
    » Und wenn er doch noch lebt?«, fragte Merle. » Wir hatten das mal bei einem Kater. Den wollten wir schon abholen lassen, als er sich auf einmal bewegte.«
    Wir sahen sie nur an.
    » Ist ja gut«, murmelte sie. » Hab’s kapiert.«
    » Was läuft genau ab, wenn wir den Notruf machen?«, fragte Mike.
    » Wenn Thorsten noch lebt, wird er ins Krankenhaus gebracht«, sagte ich. » Wenn nicht – wird es eine Ermittlung geben.«
    » Ich gehe nicht ins Gefängnis.«
    So leise Ilka es auch aussprach, so entschlossen klang es.
    » Du hast in Notwehr gehandelt«, sagte ich. » Dir kann nichts passieren.«
    » Wenn du dich da mal nicht täuschst«, widersprach Merle. » Neulich gab es in den USA einen Fall, wo ein Mädchen …«
    » Merle!«, riefen Mike und ich gleichzeitig, und Merle verstummte.
    » Ich würde es nicht ertragen …«
    Ilkas Augen waren gerötet und wirkten stumpf.
    » Sie werden Ilka nicht …«, begann Mike, dann starrte er mich an.
    Wir alle dachten dasselbe. Merle sprach es schließlich aus: » Sie werden sie in Untersuchungshaft nehmen.«
    » Redet nicht so, als ob ich nicht da wär«, sagte Ilka.
    Sie hatte recht. Wir führten uns auf wie Anwälte, die einen Fall erörtern und dabei vergessen, dass ihre Klienten neben ihnen sitzen.
    » Untersuchungshaft ist etwas anderes als Gefängnis«, sagte ich.
    » Es fühlt sich aber genauso an«, behauptete Merle.
    Ilka nahm eine Haarsträhne und kaute darauf herum. Sie schien mit einem Mal völlig unbeteiligt.
    » Wir können nicht stundenlang rumsitzen und diskutieren«, drängte ich. » Wir müssen eine Entscheidung treffen. Sollen wir abstimmen?«
    » Abstimmen?« fragte Merle. » Wir sind hier nicht in der Tierschutzgruppe, Jette. Wir sitzen in unserer Küche, und es geht nicht um irgendeine Aktion. Es geht um Leben und Tod und darum, nicht schuldig zu werden.«
    » Er ist nicht tot«, flüsterte Ilka.

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