Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
zusammengelegt. Über der Rückenlehne hing ein bunt gestreifter Bademantel aus Samtfrottee.
    Er reichte ihr bis zu den Füßen, die immer noch in den dicken Socken steckten, die sie am Abend angehabt hatte. Sie schlang sich den Gürtel um die Taille und knotete ihn vorn. Dann krempelte sie die Ärmel hoch.
    » Guten Morgen!« Marten strahlte sie an. Er hatte den Tisch gedeckt und sogar frische Brötchen und Croissants besorgt. Auf dem Herd tanzten zwei Eier in kochendem Wasser. » Du magst doch ein Ei zum Frühstück?«
    Ilka nickte.
    Jetzt erst betrachtete er sie genauer. Er grinste.
    » Wo will denn der große Bademantel mit dir hin?«
    » Jemand, der so ein Ding aus Samtfrottee besitzt, sollte den Ball schön flach halten.« Ilka knuffte ihn in die Seite. » Oder eine gute Ausrede haben.«
    » Ein Geburtstagsgeschenk meiner besorgten Oma, die sich ein Leben ohne einen anständigen Bademantel nicht vorstellen kann.«
    » Na dann.« Ilka sah sich in der kleinen Küche um. » Kann ich dir helfen?«
    » Nein. Alles fertig.«
    Das schrille Piepen einer Eieruhr ertönte und Marten nahm den Topf vom Herd. Die Eierbecher hatten die Form von Hühnern, in deren Rücken eine Mulde für das Ei eingelassen war.
    » Bevor du fragst …« Marten lud Ilka mit einer Handbewegung ein, sich an den kleinen Tisch zu setzen und nahm auf dem anderen Stuhl Platz. » Die sind ebenfalls von meiner Oma. Sie hat einen etwas schrägen Geschmack.«
    » Was du nicht sagst …«
    Marten hielt ihr den Korb mit den Brötchen hin, und Ilka wünschte, sie könnten ewig so weiterplänkeln. Seit sie denken konnte, sehnte sie sich nach einem einfachen, unbekümmerten Leben, das sie nie gehabt hatte. Wie ein Kind vor dem weihnachtlich geschmückten Schaufenster eines Spielzeugladens drückte sie sich die Nase platt am wunderbar normalen Leben der andern.
    Meistens war ihr klar, dass niemand das Glück gepachtet hatte. Dass jedes Leben kleine und große Katastrophen bereithielt. Aber manchmal vergaß sie es. Dann empfand sie das, was sie durchmachen musste, als himmelschreiende Ungerechtigkeit.
    » Erwarten Sie vom Leben nicht, dass es gerecht ist«, hatte Lara ihr einmal geraten. » Nehmen Sie einfach die Geschenke, die es Ihnen macht, dankbar an.«
    Mike. Jette, Merle, Mina.
    Die kluge Lara.
    » Hör zu«, sagte Ilka, als Marten gerade sein Frühstücksei köpfte. » Ich glaube, ich muss dir ein paar Dinge erklären.«
    *
    Wir durften keine Zeit verlieren, deshalb hatten wir uns aufgeteilt.
    Mike wollte zu Ilkas Tante und Onkel fahren, um herauszufinden, ob sie irgendwas wussten. Den restlichen Tag wollte er zu Hause bleiben, damit jemand da war, falls Ilka zurückkam.
    Luke und Claudio standen auf Abruf bereit.
    Merle und ich waren auf dem Weg nach Düsseldorf.
    Es war Samstag, das erleichterte uns unser Vorhaben nicht gerade. An der Kunstakademie gab es keine Veranstaltungen und viele Studenten waren übers Wochenende gar nicht in der Stadt.
    Aber zu Hause hätten wir es nicht ausgehalten.
    » Irgendeinen Hinweis werden wir schon finden«, sagte Merle. » Meinst du nicht?«
    » Ich hoffe es.«
    Wir hatten aufgehört, so zu tun, als wären wir voller Zuversicht. Seit wir Ilka zum letzten Mal gesehen hatten, waren etwa neun Stunden vergangen. In neun Stunden konnte alles Mögliche passieren, und wir hatten eine Scheißangst um sie.
    » Lass uns mal überlegen, wer hinter den Morden stecken könnte«, sagte Merle. Sie kramte in ihrer Tasche und zog ihr Notizbuch heraus. » Mist!«, schimpfte sie. » Der Kuli ist leer. Hast du mal einen Stift für mich?«
    » Im Handschuhfach.«
    Sie fand ihn und drehte sich zu mir. » Fangen wir – rein theoretisch – mit Ilkas Onkel an.«
    » Das glaubst du doch nicht wirklich, Merle.«
    » Ich sagte doch: rein theoretisch.«
    » Gut. Er hätte ein Motiv«, gab ich zu.
    »Ein sehr starkes«, sagte Merle. »Ebenso wie Ilkas Tante.«
    » Aber sie haben Ilka in ihre Familie aufgenommen und sich um sie gekümmert wie um ihre eigenen Kinder. Tante Marei war immer für Ilka da. Sie hat sie sogar dazu bewegen können, eine Therapie anzufangen. Wieso sollte sie plötzlich von Geldgier gepackt worden sein?«
    » Weil Rubens Nachlass eröffnet wurde.«
    » Warum so lange warten? Da hätten sie Ilka doch schon vorher aus dem Weg räumen können. Und überhaupt: wieso der Umweg über den Nachlassverwalter und seinen Mitarbeiter? Die Mühe hätten sie sich doch sparen können. Thorsten Uhland und Bodo Breitner hätten ihren Job

Weitere Kostenlose Bücher