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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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vor?
    Marten Wienand sah auf seine Uhr.
    Kurz vor zwölf.
    Noch keine zehn Minuten.
    Unglaublich.
    Er trat auf der Stelle, damit ihm die Zehen nicht abfroren. Obwohl er seine Skihandschuhe trug und seinen dicksten Pulli und obwohl er die Mütze tief in die Stirn gezogen hatte, war ihm erbärmlich kalt.
    Dass zehn Minuten sich anfühlen konnten wie eine Ewigkeit!
    Er versuchte, sich nicht auszumalen, was die beiden gerade treiben mochten. Doch die Bilder drangen gnadenlos in seinen Kopf und brachten ihn schier um den Verstand.
    Ilka machte kein Geheimnis daraus, dass sie gebunden war. Aber für Marten hatte das von Anfang an keine Rolle gespielt. Sie hatte einen Freund, na und?
    Das konnte sich leicht ändern. Er würde Ilka einfach jeden und jeden Tag umwerben, sie mit Aufmerksamkeiten überhäufen und da sein, wenn sie jemanden brauchte.
    Irgendwann würde sie ihn lieben.
    Sie hing noch im Netz ihrer Beziehung fest.
    Das würde sich jedoch ändern.
    Über kurz oder lang.
    Irgendwann würde sie erkennen, dass sie die wahre Liebe verpasste, solange sie bei diesem Typen blieb.
    Seinen Namen hatte Marten nicht wissen wollen. Doch sie sprach ihn so oft aus, dass er sich in sein Gehirn eingefräst hatte.
    Mike.
    » Was machst du da oben mit ihr?«, flüsterte er, und mit den Worten strömte weiß der Atem aus seinem Mund und verwehte in der Luft.
    Der Schmerz stülpte Marten fast den Magen um. Ihm war so übel, dass er tief atmen musste, um nicht in den Schnee zu kotzen.
    Er beobachtete Ilkas Fenster vom Hofgarten aus und hoffte, das kahle Geäst der Bäume würde ihn genügend schützen. Doch warum sollte Ilka überhaupt aus dem Fenster gucken, jetzt, wo ihr Liebster bei ihr war?
    Ihr Liebster!
    Seine Lippen kräuselten sich voller Abscheu.
    Eigentlich sollte er jetzt in der Sprechstunde von Professor Kokar sein, um mit ihm über das Projekt zu sprechen, an dem er arbeitete. Der Professor bescheinigte Marten eine Ausnahmebegabung und hatte beschlossen, ihn zu fördern. Allerdings würde er damit aufhören, sobald Marten anfing, sein Studium zu vernachlässigen und die hohen Erwartungen seines Mentors nicht länger erfüllte.
    Seine Finger und Zehen waren taub. Er spürte seine Nase nicht mehr. In seinem Innern rumorte die Eifersucht.
    Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.
    Wo hatte er das gehört?
    Die Leute hatte ja keine Ahnung. Dem, was sich in ihm abspielte, war mit dummen Sprüchen nicht beizukommen.
    Was wussten die meisten Menschen schon von Verzweiflung?
    Ganz kurz kam ihm der Gedanke, dass er sich auf einem falschen, gefährlichen Weg befand. Doch er wischte ihn beiseite. Umschlang den Oberkörper mit beiden Armen, um sich zu wärmen.
    Und wie er da so stand, wurde ihm klar, dass es von Weitem aussehen musste, als umarmte er sich selbst.
    Er ließ die Arme hängen. Starrte weiter zu Ilkas Fenstern hinauf.
    Hinter denen sich nichts regte.
    Absolut nichts.
    *
    Ilka nippte an ihrem Tee und beobachtete Mike, der den Brief in den Händen hielt. Er bewegte beim Lesen stumm die Lippen. Aufmerksam und selbstvergessen. Als wollte er nur ja kein Wort übersehen.
    Schließlich las er ihn ein zweites Mal, bevor er ihn auf den Tisch legte. Mit aller Vorsicht. Wie etwas Hochexplosives.
    Aber das war der Brief ja auch.
    Extrem explosiv.
    Er würde mit einem Schlag Ilkas Leben verändern. Und das von Mike. Selbst das Zusammenleben mit Jette, Merle und Mina würde nicht bleiben, wie es war. Niemand konnte einschätzen, was auf sie zukommen würde.
    » Dann ist es jetzt also so weit«, sagte Mike, lehnte sich in dem knarrenden Korbsessel zurück und sah Ilka in die Augen.
    Sie nickte.
    Mike sagte nicht, dass sie ihm das auch am Telefon hätte erzählen können. Ihm schien vollkommen klar zu sein, wie notwendig es für sie war, ihn in diesem Moment bei sich zu haben. Er streckte die Hand aus, zog sie jedoch wieder zurück, ohne Ilka zu berühren.
    » Was wirst du tun?«, fragte er.
    » Hab ich denn eine Wahl?«
    » Kaum.« Er schüttelte den Kopf. » Um das Schlimmste zu verhindern, wirst du dich mit ihm treffen müssen.«
    … bitte ich dich um ein Treffen. Am besten in meinem Atelier. Melde dich doch einfach in den nächsten Tagen bei mir, damit wir alles besprechen können …
    Thorsten Uhland war selbst Maler. Ilka hatte das recherchiert.
    Beinah teilnahmslos hatte er bei der Testamentseröffnung auf seinem Stuhl gesessen und dem Rechtspfleger des Nachlassgerichts zugehört, der ihm

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