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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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besaßen, als sie jemals ausgeben konnten.
    » Aber das meine ich doch gar nicht«, murmelte Emilia resigniert.
    Hortense verstand jedes Wort falsch. Es war unmöglich, ihr auch nur einen einzigen Gedanken begreiflich zu machen.
    Da.
    Emilias Herz begann schneller zu schlagen.
    Da kam er aus der Tür, verschloss sie sorgfältig. Schlug den Kragen seiner Jacke hoch, senkte den Kopf und ging zu seinem Wagen, den er beim Tor geparkt hatte.
    Alle Besucher stellten ihre Fahrzeuge dort ab. Herr Morgenroth hatte erst neulich noch die Kiesschicht erneuert, die die Parkfläche bedeckte. Kies war hübsch und freundlich und viel dekorativer als irgendwelche traurigen Steinplatten.
    Ab und zu zog Herr Morgenroth ihn mit einer Harke glatt, und all die Reifenspuren, die sich eingedrückt hatten, verschwanden, als habe es sie nie gegeben.
    Hokuspokussimsalabimunddreimalschwarzerkater.
    » Emiiiliaaa!«
    Sie wusste, Hortense stand am Fuß der Treppe und hatte die Hände wie einen Trichter um den Mund gelegt, um nach ihr zu rufen. Ihre Stimme fuhr durch das Haus, dass sich die Blätter der Zimmerpflanzen vor Entsetzen zusammenzogen. Deshalb verdorrten sie alle naslang, obwohl sie regelmäßig Wasser bekamen und Emilia sich täglich flüsternd mit ihnen unterhielt.
    Deshalb war auch Gudrun taub, da war sich Emilia sicher. Da konnte der Tierarzt ihnen noch so lange Vorträge halten über den Gendeffekt bei weißen Katzen und die daraus resultierende Taubheit. Dieser Mann steckte doch mit Hortense unter einer Decke.
    » Eeemiiiliiiaaa!«
    Seufzend ließ Emilia die Gardine fallen und wandte sich zur Tür. Hortense würde immer und immer weiter schreien. Sie konnte es nicht ertragen, dass man sich ihr widersetzte.
    Dabei besaßen sie einen großen Gong. Er stammte noch aus ihrer Kinderzeit und hatte früher zu den Mahlzeiten gerufen. Er hing noch immer in der Eingangshalle und Emilia benutzte ihn weiterhin. Auch Frau Morgenroth schlug ihn – sacht –, um zu Tisch zu bitten.
    Es war eine schöne Tradition. Sie war vornehm und schützenswert.
    Aber Hortense schien es darauf anzulegen, Frau Morgenroth zuvorzukommen und aus Leibeskräften nach Emilia zu brüllen.
    Zornig riss Emilia die Tür auf.
    » Ich komme ja schon!«, rief sie. » Hör auf mit dem Lärm!«
    Sie hörte Hortense behäbig ins Speisezimmer schlurfen.
    Herrgottnochmal! Konnte sie nicht die Füße heben?
    Sie spürte den Hunger nervös an ihren Magenwänden entlangstreichen, doch der Appetit war ihr gründlich vergangen.
    » Fahr zur Hölle, du böses altes Weib«, wisperte sie und wünschte Hortense mit aller Inbrunst die Pest an den Hals.

Eigentlich hatte Mike bleiben wollen. Bis morgen, hatte er gedacht. Das war das Schöne an seinem Job – er hatte keinen Chef und konnte sich die Zeit einteilen, wie es ihm beliebte.
    Doch es war anders gekommen.
    Wenn Ilka in diesen Zustand geriet, keine Berührung ertrug und keine Nähe, dann konnte nicht mal Mike etwas dagegen tun. Dann war seine bloße Gegenwart im selben Zimmer das Äußerste, was sie aushielt.
    Diesmal war auch das zu viel.
    » Sei mir nicht böse, Mike … bitte …«
    Stumm hatte er den Kopf geschüttelt und die Lippen zu einem kleinen Lächeln verzogen. Wie konnte er ihr böse sein? Sie stieß ihn ja nicht zurück. Sie verkroch sich einfach in ihrem Schneckenhaus, das sie unsichtbar immer bei sich trug.
    Und so war er gegangen und in seinen Renault Kangoo gestiegen und in den dunklen Nachmittag hinausgefahren, und ihm war zum Heulen zumute gewesen. Was er sich jedoch nicht eingestanden hatte, weil er die Fassung nicht verlieren wollte.
    Er hatte aus nächster Nähe mitgekriegt, was die Liebe ihres Bruders am Ende aus Ilka gemacht hatte. Erinnerte sich gut an das armselige Häufchen Elend mit dem geschorenen Haar und den todtraurigen Augen, das er am Krankenbett besucht hatte. Denn mehr war von Ilka nicht übrig geblieben, nachdem Ruben mit ihr fertig gewesen war.
    » Du mieses Schwein!«
    Mike hörte, wie seine Stimme brach. Er wünschte, Ruben wäre noch am Leben und könnte dazu gezwungen werden, die Verantwortung für sein Tun zu übernehmen.
    » Du mieses, feiges Schwein!«
    Doch der Mistkerl hatte sich davongestohlen. War einfach gestorben.
    Mike wusste, dass er unrecht hatte. Dass Ruben für alles bezahlt hatte. Den höchsten Preis, den ein Mensch zahlen kann.
    Aber das war ihm nicht genug.
    Ruben wäre der Einzige gewesen, der Ilka hätte befreien können. Nicht durch Worte. Nicht durch Taten.
    Sondern

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