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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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dadurch, dass er die Schuld auf sich genommen hätte.
    Für das, worüber Ilka niemals sprach, noch nie gesprochen hatte, vielleicht niemals sprechen würde.
    Mike wusste davon, auch ohne dass sie es ihm anvertraut hätte. Er war zu oft Zeuge ihrer Albträume geworden, hatte sie zu oft nächtelang im Arm gehalten, um sie zu beruhigen.
    » In den Knast hättest du gehört!« Mike schlug mit der Faust auf das Lenkrad. » Du hättest in einem gottverdammten Gefängnis verrotten sollen!«
    Er fuhr zu schnell und es war ihm egal.
    Einem Lastwagenfahrer zeigte er wegen einer Lappalie den gestreckten Mittelfinger, einen roten Sportwagen hinderte er aus lauter Wut am Überholen. Dann liefen ihm die Tränen über die Wangen.
    » Scheiße«, wimmerte er. » Verdammter, verfluchter Mist.«
    Er wollte so schnell wie möglich nach Hause. Vielleicht hatte er ja Glück und Merle war da. Mittwochs machte sie manchmal früher Schluss. Er brauchte jemanden zum Reden, konnte jetzt nicht allein sein, das Kreuzfeuer seiner Gedanken kaum noch ertragen.
    Er nahm sein Handy und wählte Merles Nummer.
    » Hi, Mikey.«
    In ihrer Stimme steckte ein Lachen.
    » Wo bist du?«, fragte er.
    » Im Heim«, antwortete sie. » In meinem Büro. Wieso?«
    » Ach, ich …« Es gelang ihm nicht, seine Enttäuschung zu verbergen. » Ich hab gehofft, du wärst heute vielleicht früher zu Hause. Ich … hätte gern ein bisschen Dampf abgelassen.«
    » Dann komm doch her«, sagte sie in leichtem Ton. Sie stellte keine Fragen, und Mike war ihr dankbar dafür. » Ich mach uns einen Kaffee und räum dir schon mal einen Sessel frei.«
    Mike musste lächeln. In dem kleinen Zimmer, das sie ihr Büro nannte war jede freie Fläche mit irgendwelchem Kram bedeckt. Da war sogar seine Werkstatt übersichtlicher.
    » Ist das auch wirklich okay?«
    » Würd ich es sonst sagen?«
    » Danke, Merle.«
    Mike atmete erleichtert auf, steckte das Handy weg und konzentrierte sich wieder auf die Fahrt. Von Kilometer zu Kilometer nahm der Schneefall zu. Die Autoschlangen bewegten sich langsam und vorsichtig vorwärts, doch der kleinste Zwischenfall würde das Chaos losbrechen lassen, schlimmer noch als heute Morgen.
    Er schaltete das Radio ein und blieb bei einer Sendung über die Traditionen des Weihnachtsfests hängen.
    Gut.
    Er konnte jetzt jede Ablenkung brauchen.
    *
    Bodo Breitner sah dem Rauch seiner Zigarette nach und wünschte, seine Unruhe würde sich ebenso leicht in Luft auflösen. Er machte ein paar Schritte den kleinen gepflasterten Weg entlang, der steil anstieg und sich weiter oben in einen schmalen Trampelpfad verwandelte, in sanftem Bogen um ein Kiefernwäldchen führte und schließlich an einem Weidentor endete.
    Da er noch nicht lange mit Ruben Helmbachs Bildern beschäftigt war, wusste er nicht, ob während der wärmeren Jahreszeit Schafe hier grasten oder ob es eine Pferdeweide war.
    Der Schnee fiel lautlos und deckte alles unter sich zu.
    Das alte Haus der Schwestern Ritter, aus gelblichem Bruchstein erbaut, wirkte vor all dem frischen, reinen Weiß beinah schwarz. Rauch stieg aus dem Schornstein auf. Der braune Himmel hing schwer über dem Land.
    Bodo fühlte einen Blick, der ihm folgte. Er beschleunigte seine Schritte, bis er sich im Schutz der ersten Kiefern entspannen konnte. Dort löschte er die Glut der aufgerauchten Zigarette im Schnee und legte die durchweichte Kippe zu den anderen in seinen Aschenbecher, den er wieder in der Jackentasche verstaute.
    Noch ein paar Schritte, dachte er, dann hab ich mich wieder im Griff.
    Die Erregung pulsierte noch in ihm. Sie nahm ihm die Luft und ließ seine Fingerspitzen kribbeln.
    Er hatte es getan!
    Nervös tastete er nach dem Zigarettenpäckchen und zog mit steif gefrorenen Fingern eine weitere Zigarette heraus. Aus reiner Gewohnheit schützte er die Flamme des Feuerzeugs mit der gewölbten Hand, obwohl kein Windhauch zu spüren war. Die dicken Schneeflocken schwebten fast senkrecht herab.
    Er hatte es wirklich getan!
    Der Rauch in seinem Mund schmeckte bitter. In den vergangenen Tagen hatte Bodo für seine Verhältnisse viel zu viel geraucht. Bildete sich ein, seine Nerven damit zu beruhigen, dabei wurde er von Zug zu Zug nur noch fahriger.
    Bei dem Riesenkonvolut von Gemälden, Zeichnungen und Skizzen, das er sichten sollte, fielen zehn, zwanzig Bilder doch nicht ins Gewicht, hatte er sich immer wieder gesagt. Niemand würde merken, dass ein kleines Stück von dem großen Kuchen fehlte. Thorsten Uhland hatte ihm

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