Der Bilderwächter (German Edition)
diese Aufgabe schließlich nur deshalb übertragen, weil weder er selbst noch sonst jemand die genaue Zusammensetzung von Ruben Helmbachs Nachlass kannte.
Und dann hatte er es getan!
Hatte zwanzig Gouachen in seinem Arbeitskoffer verstaut, die ab morgen sicher in einem Schließfach verwahrt werden würden. Wundervolle Arbeiten mit der für diese Malweise so typischen, unvergleichlichen Intensität der Farben.
Er hatte viel gelernt, seit er bei Thorsten Uhland beschäftigt war.
Über Malerei. Farben. Techniken.
Das zahlte sich jetzt aus.
Im wahrsten Sinne des Wortes.
Bodo nahm zwei hastige Züge. Die Gedanken schwirrten ihm nur so durch den Kopf. Die Gouachen waren seine ganz große Chance. Er würde sich ein Leben im Luxus leisten können, wenn er den richtigen Moment abwartete, um sie abzustoßen.
Noch war es zu gefährlich, sich von ihnen zu trennen, denn wenn jetzt, bevor irgendwer von dem Nachlass wusste, unbekannte Arbeiten von Ruben Helmbach auftauchten, wäre das eine Sensation, auf die sich die gesamte Presse stürzen würde. Nein, er musste abwarten, bis der Hype auf dem Höhepunkt war, und die Bilder dann auf einem Weg anbieten, der nur schwer oder überhaupt nicht zurückzuverfolgen war.
Bodo blieb stehen, warf die Zigarettenkippe achtlos in den Schnee und schaute sich um. Auf die Entfernung wirkte das Haus weniger bedrohlich und doch ließ sein Anblick ihm einen Schauer über den Rücken laufen.
Sei nicht albern, dachte er. Zwei alte Weiber, die in einem noch älteren Schuppen wohnen.
Er war mit aller Vorsicht vorgegangen.
Niemand konnte ihn beobachtet haben.
Auch die neugierigen alten Vipern nicht.
Er lachte leise, doch das Lachen wollte ihm nicht gelingen.
Zwei alte Frauen. Mehr waren sie nicht. Zwei zänkische alte Frauen, die sich gegenseitig das Leben zur Hölle machten und allen andern sowieso.
Langsam kehrte er wieder um.
Er hatte es getan.
Jetzt gab es keinen Weg zurück.
*
Emilia traute diesem jungen Mann nicht. Er hatte etwas Verschlagenes und konnte einen nicht ansehen. Sie war ihm noch nicht oft begegnet, aber wenn, dann war er ihrem Blick ausgewichen.
Mit dem stimmt was nicht, hatte sie gedacht und beim ersten Mal gleich mit Hortense darüber gesprochen.
Natürlich musste Hortense anderer Meinung sein. Aus Prinzip.
» Nicht jeder, der dir missfällt, hat etwas auf dem Kerbholz«, hatte sie gesagt. In diesem Tonfall, den Emilia so hasste. Der immer den Eindruck erweckte, als sei sie ein dummes Kind und Hortense die Lehrerin, die ihr geduldig die Welt erklärte.
Am liebsten hätte sie ihrer Schwester eine Ohrfeige gegeben, mitten hinein in dieses überhebliche Lächeln, gegen das sie ebenso wenig anrennen konnte wie gegen eine Gummiwand.
» Vielleicht war er einfach in Gedanken«, hatte Hortense achselzuckend gesagt und Emilias Sorge an ihrem unerschütterlichen Gleichmut abprallen lassen, den sie immer dann zur Schau trug, wenn sie demonstrieren wollte, wie locker sie mit den Dingen des Lebens zurechtkam.
Emilia hatte die Gardine nur ein winziges Stück zur Seite gerafft und lugte angestrengt durch den schmalen Spalt.
So weit hatte er sich noch nie von Rubens Haus entfernt. Wollte er jetzt etwa auch noch damit anfangen, auf dem Anwesen herumzuspazieren? Seine Nase überall hineinzustecken?
Nicht, dass Emilia etwas zu verbergen hätte. Hortense vielleicht. Oder die Morgenroths. Emilia mochte es einfach nicht, dass ein Wildfremder auf ihrem Grund und Boden herumschnüffelte.
Er war absichtlich hinter den Kiefern verschwunden.
Damit sie ihn nicht sehen konnte.
Warum? Wieso störte es ihn, beobachtet zu werden?
Seine ganze Körperhaltung verriet ihn. Wie er den Kopf einzog, den Jackenkragen bis über die Ohren hochgeklappt. Wie er es vermied, zum Haus herüberzuschauen.
Das hieß ganz klar: Ich weiß, dass du mich beobachtest.
Fast hätte Emilia vor Schreck die Gardine losgelassen.
Doch sie tat es nicht, und das hieß: Ich weiß, dass du weißt, dass ich dich beobachte.
Emilia hielt den Atem an.
Sie hatten Gedanken ausgetauscht!
Er wusste. Sie wusste.
Ihnen beiden war klar, dass sie soeben eine Verbindung eingegangen waren.
Der Schweiß brach ihr aus.
Sie wollte doch mit diesem Menschen nichts zu tun haben.
» Gut«, flüsterte sie, als er Rubens Haus wieder erreicht hatte, sich die Stiefel abtrat und den Schnee von den Schultern strich. » Du weißt also, dass ich dir nicht über den Weg traue. Vielleicht ist das gar nicht schlecht.«
Bevor er die Hand
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