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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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und fast hätte er das Wasser verschüttet.
    Endlich wusste er, warum Ilka ihm so vertraut war.
    Er kannte sie seit Jahren, ohne es geahnt zu haben, denn sie tauchte auf beinah jedem Bild ihres Bruders auf.
    Abrupt blieb er stehen. Er ahnte, dass er etwas Ungeheures entdeckt hatte, auch wenn er es sich noch nicht erklären konnte.
    » Heh!«
    Mike streckte ungeduldig die Hand nach dem Wasser aus. Thorsten reichte ihm das Glas und sah zu, wie Mike Ilka vorsichtig ein paar Schlucke einflößte.
    Sie hustete und setzte sich auf.
    Thorsten lächelte. » Geht’s wieder?«
    Sie nickte, nahm das Glas und trank es langsam aus.
    Etwas zwischen ihnen hatte sich verändert.
    Sie wusste es bloß noch nicht.
    *
    Es war so dunkel. So kalt.
    Schmerzen rollten aus der Tiefe auf ihn zu und überschwemmten ihn.
    Er wehrte sich nicht mehr gegen sie.
    Es dauerte nun schon eine Ewigkeit.
    Mühsam formte er das Wort mit den Lippen.
    Ewigkeit …
    Er konnte seinen Atem hören. Etwas lief ihm aus den Augen und rann sanft über sein Gesicht.
    Längst hatte er aufgehört, sich zu bewegen. Die Glieder gehorchten ihm nicht. Ebenso wenig die Stimme. Anfangs hatte er noch um Hilfe gerufen, doch die Worte hatten sich auf der Zunge zusammengeballt und seinen Mund bis zum Erbrechen angefüllt.
    Kein Wort.
    Kein Laut.
    Und die Luft schmeckte sonderbar. Nach Traurigkeit. Alleinsein.
    Aber nicht mehr nach Angst.
    Das hatte er hinter sich, die Panik, das Aufbegehren.
    Das Bedauern.
    Die Kälte kroch jetzt in seinen Körper. Von seinen Füßen und seinen Händen aus bewegte sie sich weiter.
    Auf sein Herz zu.
    Wie lange lag er schon in dieser undurchdringlichen Finsternis?
    Er suchte nicht nach einer Antwort. Zeit hatte keine Bedeutung mehr.
    Die Schmerzen wurden zu einer zweiten Haut aus Feuer und Eis.
    Er spürte einen starken Sog, der ihn fortreißen wollte, irgendwohin, in den Schlaf vielleicht oder eine gnädige Bewusstlosigkeit. Doch bevor er die Augen schließen konnte, um sich dem Sog hinzugeben, trug ihn etwas aus den Schmerzen hinaus in eine klare Gleichgültigkeit.
    Er erhob sich und sah seinen Körper vor sich liegen, abgestreift wie die papierne Larve einer geschlüpften Libelle.
    Es kam ihm eigenartig vor.
    Langsam wandte er sich ab.
    Und ging.

Der Anruf kam um vier Uhr fünfzehn und riss Hauptkommissar Bert Melzig aus der ersten Tiefschlafphase, aus der er nur schwer und widerwillig erwachte. Seit geraumer Zeit litt er unter akuten Schlafproblemen, und es wurde immer schlimmer.
    Er hatte sich angewöhnt, spät zu Bett zu gehen, denn nur, wenn er richtig müde war, kam er zur Ruhe.
    Sein Freund, Arzt und Tennispartner Nathan hatte ihm dazu geraten. » Vermeide es, hellwach im Bett zu liegen. Da fängst du nur an zu grübeln.«
    Seufzend richtete Bert sich auf, wohl wissend, dass es für diese Nacht mit dem Schlaf vorbei war.
    Routiniert tastete er nach seinen Sachen, die er auf einem Stuhl neben dem Bett abgelegt hatte, und zog sich an. Obwohl er nicht zu befürchten brauchte, jemanden aufzuwecken, verzichtete er aus reiner Gewohnheit darauf, Licht zu machen.
    Margot hatte sich so lange immer wieder über seine Rücksichtslosigkeit beschwert, dass es ihm im Laufe der vielen Ehejahre zur Gewohnheit geworden war, Bett, Schlafzimmer und Haus so lautlos wie möglich zu verlassen, wenn er nachts zu einem Leichenfundort gerufen wurde.
    Den Wagen hatte er am Abend nicht in die Garage gefahren. Seit er sich vor drei Monaten von seinem alten Leben getrennt hatte (von Margot und damit auch von seinen Kindern, von seinem Haus, seinem Wohnort und seinen Kollegen), lebte er in dieser gesichtslosen Wohnung in Köln Ehrenfeld, die eigentlich nur als Übergangslösung vorgesehen war. Doch kaum etwas, hatte er neulich jemanden sagen hören, dauerte länger als ein Provisorium.
    Er hatte einen Garagenplatz zwei Straßen weiter gemietet, doch wenn er einen Parkplatz in unmittelbarer Nähe des Hauses fand, stellte er seinen Wagen lieber dort ab. Es war bequemer, und das Auto stand fast sicherer draußen als in dieser Tiefgarage, in der nachts der Teufel los zu sein schien.
    Morgens fand man leere Bierflaschen und zerdrückte Zigarettenkippen, und allein in den vergangenen Wochen waren zwei Motorräder entwendet und drei Wagen demoliert worden.
    Der Wetterbericht hatte vierzehn Grad minus angekündigt, und Bert war auf das volle Programm eingestellt: Schneejacke, Thermohandschuhe, Mütze und Schal. Dennoch traf ihn die unglaubliche Kälte wie ein Schock, auf

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