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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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große Lüge selbst, die ihr Leben überschattet.
    Während Ilka jetzt daran dachte, lief sie an den zahlreichen Kneipen vorbei, aus denen Musik nach außen drang. Die Raucher standen um die Stehtische geschart. Viele trugen blinkende Nikolauskappen.
    Eine junge Stadtstreicherin, die auf einer farblosen Decke vor einem Hauseingang saß, teilte sich mit zwei mageren, geduldigen Hunden einen Döner. Ilka fragte sich, woran es liegen mochte, dass die Hunde von Stadtstreichern immer so friedfertig waren, und für einen Moment vermisste sie die Katzen.
    Besonders Klecks hatte sich in ihr Herz geschlichen. Er hatte tiefe Wunden davongetragen, genau wie sie. Und genau wie sie gab er sich alle Mühe, das zu verbergen.
    Eine Touristengruppe kam ihr vom Weihnachtsmarkt entgegen, lauter ältere Leute. Sie würden in einem der Lokale zu Abend essen und dann zu ihrem Bus zurückkehren, ein bisschen angeschickert von Glühwein und Bier, sehr fröhlich und sehr laut. Manchmal waren sie mit Tröten oder Trillerpfeifen bewaffnet, dann konnte Ilka sie bis in ihr Zimmer hören.
    Diese hier schienen auch schon den einen oder andern Schluck genommen zu haben. Ein Mann hielt Ilka am Arm fest.
    » Wohin des Wegs, meine Schöne?«
    Ilka roch Bratwurst und Zigarettenrauch in seinem Atem. Sie schlüpfte aus seinem Griff. Das Lächeln auf ihrem Gesicht fühlte sich falsch an. Sie dachte an Josefines Lächeln beim Abschied.
    » Und rufen Sie an, wenn Sie mich brauchen«, hatte sie gesagt. » Jederzeit.«
    Ilka kämpfte sich durch den Trubel auf dem Weihnachtsmarkt.
    Jederzeit.
    Ein Frauenchor auf einer von Tannen gesäumten Bühne sang Es ist ein Ros entsprungen. Die widersprüchlichsten Düfte legten sich übereinander, die unterschiedlichsten Geräusche. Eine Drehorgel spielte Santa Claus is coming to town.
    Ilka kaufte sich eine Tüte heiße Maronen, die sie im Weitergehen aß. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie hungrig sie war. An einem Stand mit Holzfiguren aus dem Erzgebirge erwarb sie für Mike einen pausbäckigen kleinen Schutzengel, der ein rundes, rotes Herz in den Händen hielt.
    Weil es dir nicht gelingt, ihm dein eigenes Herz zu schenken?
    Sie vermisste Mike. Konnte die lachenden Gesichter ebenso wenig ertragen wie die unzähligen Paare, die selbstvergessen ihr Glück zur Schau trugen.
    Auf der durch einen gut gefüllten Stadtgraben geteilten Königsallee herrschte Hochbetrieb. Die Bäume waren mit Lichterketten geschmückt, die Auslagen in den Schaufenstern in Gold und Silber getaucht.
    Louis Vitton. Armani. Cartier.
    Das würde Ilka sich in Zukunft locker leisten können. Doch es interessierte sie nicht. Außerdem wollte sie nichts, was von Ruben kam.
    Die Leute waren mit Einkaufstüten beladen. Sie liefen geschäftig durch Licht und Schatten, während es aus dem tiefhängenden, dunklen Himmel leise zu schneien begann.
    Trotz Mütze und Schal zitterte Ilka vor Kälte. Sie konnte ihre Finger und Zehen kaum noch spüren. Schneeflocken schmolzen auf ihrem Gesicht. Sie hatte immer noch Hunger und Durst.
    Bei Leysieffer trank sie einen Cappuccino und aß ein Stück Käsekuchen. Inmitten der fremden Menschen fühlte sie sich mit einem Mal sonderbar aufgehoben.
    Niemand hier wusste von ihren Problemen, niemand zwang sie zum Reden.
    Wie gut das tat.
    Draußen auf der Straße dann, im sanften Wirbel der Schneeflocken, war sie wieder allein.
    Sie lief umher, bis sie müde wurde, doch sie wollte noch nicht in die Stille ihres Zimmers, wollte ihren Gedanken nicht ausgeliefert sein und nicht ihrer Traurigkeit.
    Erst als sie vor Martens Haus stand, wurde ihr klar, wie allein sie war.
    Sie suchte nach dem richtigen Klingelknopf und drückte darauf, bevor sie es sich anders überlegen konnte.
    *
    Bert hatte gerade das Parkhaus des Polizeipräsidiums verlassen, als sein Handy klingelte.
    » Hallo, Bert. Isa hier.«
    » Isa! Wie schön, deine Stimme zu hören.«
    Die Polizeipsychologin war von den ehemaligen Kollegen und Kolleginnen diejenige, die er am meisten vermisste. Er mochte ihre klare, direkte Art, die Dinge zu betrachten, mochte es, dass sie nicht alles eilig mit Worten zudeckte, mochte, wie sie ihn ansah und wie sie lachte.
    Eigentlich mochte er so ziemlich alles an ihr.
    » Wobei störe ich dich gerade?«
    » Du störst mich nie, das weißt du. Ich habe für heute Schluss gemacht und sitze im Wagen, um … nach Hause zu fahren.«
    Etwas in ihm sträubte sich noch immer, die Wohnung, in der er lebte, als sein Zuhause zu bezeichnen. Er

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