Der Bilderwächter (German Edition)
fragte sich, ob Isa mit ihrem Gespür für Zwischentöne sein Zögern bemerkt hatte.
» Und du?«, fragte er.
» Ich möchte dich zum Essen einladen.«
Seine spontane Freude überraschte ihn selbst. Am liebsten hätte er sich auf der Stelle mit ihr verabredet. Er hielt sich mit Mühe zurück.
» Gern«, sagte er. » Für wann?«
Diesmal war sie es, die zögerte, aber nur kurz.
» Du hast nicht zufällig direkt heute Abend Zeit?«
» Und ob. Ich sterbe nämlich vor Hunger.«
Sie lachte, und sie verabredeten sich im La Gondola, wo sie schon einige Male gut gegessen hatten.
Bert brauchte eine Dreiviertelstunde, um sich durch den Berufsverkehr nach Bröhl zu quälen. Dann betrat er das italienische Restaurant, wählte einen Fenstertisch in einer Ecke und betrachtete die übrigen Gäste, während er auf Isa wartete und dabei spürte, wie alle Hektik von ihm abbröckelte.
Isa war Balsam für seine Seele. Sie konnte zuhören, filterte das Wesentliche aus jeder noch so umständlichen Erzählung heraus und ebnete, was in Berts Kopf erst wirr und ungeordnet Gestalt annahm.
Dabei hatte sie im Augenblick selbst Hilfe nötig.
Es war noch kein halbes Jahr her, dass sie bei einem Einsatz lebensgefährlich verletzt worden war. Die Kugel hatte ihr Herz knapp verfehlt und sie hatte viel Blut verloren.
Operation. Intensivstation. Reha.
Das volle Programm.
Um ihre Seele hatte sich eine ihrer Kolleginnen gekümmert, die gleichzeitig ihre Freundin war.
Die Tür schwang auf und Isa betrat das Restaurant. Sie brachte Kälte mit herein, einen Hauch von Parfüm und ein paar Schneeflocken, die sich auf ihrem dunklen Haar niedergelassen hatten.
Alle hoben den Kopf und schauten sie an.
Isa hatte diese Wirkung. Es war ihr Selbstbewusstsein, die Freude, die sie an ihrem Körper zu haben schien, die ruhige Gelassenheit, mit der sie sich bewegte.
Als sie Bert umarmte, hatten sich die Schneeflocken bereits in winzige Tropfen verwandelt, die seine Wange kalt berührten.
Isa sah zart und empfindsam aus. Sie trug einen kurzen schwarzen Rock mit schwarzen Stiefeln, die ihr bis zu den Knien reichten, dazu einen Pulli, der die Farben von dunklem Islandmohn hatte.
» Lieber, lieber Bert.« Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und das Kinn in die Hände und schaute ihn an. » Du siehst müde aus.«
Bert fühlte sich getröstet und verstanden. Er hatte so lange darauf verzichten müssen.
» Und du?«, fragte er. » Wie geht es dir?«
» Gut.« Sie lächelte. » Denn nun bist du da und wir können meinen Geburtstag feiern.«
» Du hast Geburtstag? Warum hast du mir nichts gesagt? Jetzt habe ich kein Geschenk für dich.«
» Mein Geschenk? Das bist du.«
Der Kellner brachte die Speisekarten und eine große Flasche Wasser, und Bert fragte sich, wie Isa ihren Geburtstag verlebt hätte, wenn er an diesem Abend nicht frei gewesen wäre.
» Wenn du heute keine Zeit gehabt hättest«, beantwortete sie seine unausgesprochene Frage, » dann hätte ich mich mit einem Krimi ins Bett verzogen.«
» Das bedeutet?«
» Dass ich ab gestern wieder allein bin.«
Der Freund, der sie immer wieder versetzt hatte – es gab ihn nicht mehr in ihrem Leben.
» Das tut mir leid.«
» Muss es nicht. Die Trennung war überfällig.«
» Möchtest du reden?«
» Nicht darüber. Verrätst du mir, an welchem Fall du gerade arbeitest?«
Eine halbe Stunde später war es, als hätten sich ihre Wege nie getrennt. Bert berichtete von dem neuen Fall, über den er noch nicht allzu viel zu sagen wusste, und hörte ihr aufmerksam zu, als sie über ihre eigene Arbeit sprach.
Gäste kamen und gingen, und sie saßen immer noch da, und als sie sich an ihre ersten beruflichen Begegnungen erinnerten, die absolut nicht rosig verlaufen waren, mussten sie beide lachen.
» Der Polizist und die Psychologin«, sagte Isa. » Zusammen sind wir auf keinen grünen Zweig gekommen, weißt du noch?«
» Apropos grüner Zweig.« Bert brach eine Blüte von dem rosafarbenen Alpenveilchen ab, das, mit einer roten Seidenschleife geschmückt, ihren Tisch verzierte, und reichte es ihr. » Ich danke dir für diesen wunderschönen Abend.«
Als sich der Kellner mit der Rechnung näherte, ließ Isa die Blüte rasch in ihrer Handtasche verschwinden und zwinkerte Bert verstohlen zu.
Der frische Schnee hatte ihre Wagen zugedeckt. Sie legten sie wieder frei und umarmten einander zum Abschied. Isa bebte vor Kälte.
» Komm doch nach Köln«, sagte Bert und rieb ihr den Rücken, damit ihr
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