Der Bilderwächter (German Edition)
verwunderte Blicke.
» Machen wir Sie nervös?«, fragte Rick mit einem kleinen, gemeinen Lächeln. Er würde den Maler in diesem Leben nicht mehr ins Herz schließen und Bert konnte das nachvollziehen. Zwei Alphatiere hatten keinen Platz auf so engem Raum.
» Wie bitte?« Thorsten Uhland warf einen zerstreuten Blick über die Schulter. » Sie? Nein … ich … äh …«
Wenn nicht wir, dachte Bert, wer dann? Er hatte den Mann anders in Erinnerung, selbstbewusst, aktiv, um keine Antwort verlegen. Was war geschehen? Was hatte diese Veränderung ausgelöst?
» Stehen Sie unter Zeitdruck?«, fragte er. » Stören wir Sie gerade?«
Man konnte förmlich sehen, wie der Nachlassverwalter sich einen Ruck gab. Den Kopf hoch erhoben, den Rücken gerade, kehrte er auf seinen Platz hinter dem Schreibtisch zurück. Der schwarze Ledersessel knarrte.
» Wo waren wir?«
Sie hatten doch noch gar nicht richtig angefangen. Was war mit dem Mann los?
» Wir haben die Ritters aufgesucht«, erklärte Bert, » und wollten uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen, auch mit Ihnen ein paar Worte zu wechseln.«
Thorsten Uhland legte die Hände auf die Schreibtischplatte. Ein Versuch, runterzukommen oder eine Geste der Ergebenheit: Bringen wir’s rasch hinter uns?
» Ilka Helmbach fühlt sich von Ihnen – wie nannte sie es doch gleich? – ausgetrickst. « Rick lehnte sich zurück, schlug betont langsam die Beine übereinander und fixierte den Maler mit einem nachdenklichen Blick. » Sie ist davon überzeugt, dass Sie ihr mit einer gezielten Indiskretion den Express auf den Hals gehetzt haben.«
» Hat sie das so ausgedrückt?«
» Nicht wortwörtlich, aber sinngemäß.«
» Das Mädchen verfügt über eine blühende Fantasie.«
» Ilka Helmbach will keinen Medienrummel.«
» Aber ihr Bruder wollte ihn.«
» Ach?«
» Ruben war ein außergewöhnlicher Künstler. Er hat seine Bilder nicht gemalt, um sie vor der Welt zu verstecken. Es hatte einen Grund, dass er einen Nachlassverwalter bestellt hat. Er wollte, dass ich mich um die Vermarktung seiner Werke kümmere. Er hätte sich eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen seiner Schwester und mir gewünscht.«
» Und Sie konnten sich auf keine gemeinsame Vorgehensweise verständigen?«
» Ich konnte mit ihr nicht mal darüber reden. Sie ist ja völlig hysterisch.«
Sein Blick huschte immer wieder durch den Raum und blieb an Tür und Fenstern hängen.
» Und wenn Sie ihr ein bisschen Zeit gegeben hätten?«
» Seit Rubens Tod sind zwei Jahre vergangen. Er hat selbst bestimmt, dass jetzt der Augenblick gekommen ist, um zu handeln.«
» Aber Sie wissen, dass der Nachlass ihres Bruders für Ilka Helmbach eine hochemotionale Angelegenheit ist?«
Rick schien sein eigenes Drehbuch im Kopf zu haben, deshalb hielt Bert sich zurück. Manchmal entwickelten Befragungen eine Eigendynamik, die man nicht unterbrechen durfte.
» Das ändert nichts an den Tatsachen.«
» Die da wären?«
» Ruben Helmbach hat mich dazu ausersehen, seine letzten Verfügungen umzusetzen und ich habe die Aufgabe angenommen.«
» Sie tun das nicht uneigennützig, nehme ich an?«
Eine flüchtige Zornesröte überzog Thorsten Uhlands Gesicht. Er nahm die Hände vom Schreibtisch und verschränkte sie auf seinem Schoß.
» Es gibt eine finanzielle Regelung …«
» … die Sie am Verkauf der Werke beteiligt?«
» … doch ich glaube nicht, dass ich die Einzelheiten vor Ihnen ausbreiten muss.«
» Heute nicht«, stimmte Rick zuckersüß zu. » Halten wir fürs Erste nur fest, dass Sie ein starkes Interesse daran haben dürften, die Dinge voranzutreiben und daher keinerlei Skrupel, die Medien einzubinden.«
» Ob ich Skrupel habe oder nicht, können Sie nicht beurteilen.«
» Meinen Sie?«
Es hielt Thorsten Uhland nicht mehr auf seinem Schreibtischsessel. Er stand auf, ging zu einem der Bilder an der gegenüberliegenden Wand und betrachtete es. Auf diesem Bild sah man einen Mann und eine Frau, die sich eng umschlungen vom Betrachter fortbewegten, in eine Landschaft hinein, die ein Ausschnitt aus einem Gemälde von Dalí oder Magritte hätte sein können.
Oder einfach ein Traum.
» Schauen Sie«, sagte er. » Das soll hier vermodern, weil Ilka Helmbach Probleme mit ihrem Bruder hatte?«
» Probleme nennen Sie das?«, brachte Bert sich nun doch ins Gespräch. » Wissen Sie, dass die junge Frau sich seit ihrer Entführung in psychiatrischer Behandlung befindet?«
Doch Thorsten Uhland hörte nicht mehr zu.
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