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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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auf dem Tisch liegen. Und überhaupt: ›Komm schon, Dan, lass dein Urteilsvermögen nicht von deinen Emotionen trüben.‹«
    Er schaute zu ihr. Marys Augen waren wie die seinen geweitet und rot. Sie hatte sich unterbewusst so weit wie möglich entfernt, hing mit dem Hintern am Rand des Beifahrersitzes. Mit der Gewissheit, dass sie sich vor ihm fürchtete, kam der Gedanke: Gut. Gut für sie .
    »Das war meine Familie «, zischte er. »Verstehst du? Ich habe mich ihnen vor die Scheißfüße geworfen und sie um Hilfe angefleht.« Er schüttelte den Kopf. »Sie haben mir lediglich eine Gehaltserhöhung angeboten.«
    Mary sagte nichts. Der Van fuhr wie von selbst vor sich hin.
    »Danach weiß ich nicht mehr viel. Ist alles irgendwie verschwommen. Ich kam einige Monate später auf dem Sofa meiner Ma zur Besinnung. Die Corams dachten, ich hätte sie im Stich gelassen, daher das böse Blut. Bin davongestiefelt, wurde pampig, war unerlaubt abwesend. Hat nicht viel geholfen, dass das Erste, was ich gemacht hab, als ich wieder auf den Beinen war, darin bestand, einen Kumpel darauf anzusetzen, sich um unseren Freund mit dem einen Ei zu kümmern.«
    Der gute alte Canton.
    Vorschriftsmäßigkeit hat sich noch nie so gut angefühlt.
    Der Van bog von einer waldigen kleinen Fahrbahn durch die prunkvollen Tore von Thornhill, und Shaper betrachtete die lange Zufahrt mit einer Mischung aus Beklommenheit und Erleichterung. Das Zittern in seinen Fingern schien an- und abzuschwellen, wenn er ein- und ausatmete, und mit einem plötzlichen Anflug von Entschlossenheit warf er einen vielsagenden Blick auf die verängstigte Frau neben ihm. Und präsentierte ihr seinen Schmutz wie ein Geschenk.
    »Danach hat mein Gehirn die Dinge nicht mehr richtig verarbeitet, Mary. Eine lange Zeit nicht mehr. Bis ich Wege fand, damit zurechtzukommen.«
    »Du meinst … wie eine Krankheit?«
    Beinahe hätte er gelächelt. »Vielleicht, ja. Vielleicht genau so. Ich war im Lauf der Jahre sogar bei einigen Seelenklempnern. Die haben es mal so und mal so bezeichnet. Aber … wenn du meine Einschätzung hören willst – auch wenn die nicht unbedingt wissenschaftlich ist –, dann ist Folgendes passiert: Die ganze Sache hat mir den Hinterkopf weggeblasen. Als wären da so viele Lügen, so viel Scham, so viel Chaos gewesen, dass all das irgendwie das Kommando übernommen hat. Ich konnte dadurch nichts und niemandem mehr glauben, am wenigsten mir selbst.«
    Er kaute auf der Wunde an der Innenseite seiner Wange und riss nasse Streifen heraus. Sie schmeckten wie Asche.
    »Es ist, als hätte ich all die Zeit mit Lug und Trug und Vernichtung verbracht …« Er zuckte mit den Schultern. »Und jetzt macht stattdessen mein Gehirn mit mir dasselbe. Scheint mir nur fair zu sein.«
    Das Nieseln verwandelte sich in vollwertigen Regen. Seine Stimme verhallte, und ihn beschlich das merkwürdige Gefühl, als leite er von einer Version seiner selbst zu einer anderen über.
    Ich falle immer noch .
    »Warum hast du London nicht verlassen?«, wollte Mary wissen, deren Stimme sich wie ein leichtes Nachbeben anfühlte. »Um irgendwo anders neu anzufangen?«
    Shaper versuchte, die Worte zu formen. Er bemühte sich, die Zunge um den verseuchten Kern der Wahrheit zu schlingen, von dessen verschleierter Existenz er überzeugt war. Doch die Phrasen passten nicht, die Silben wirkten hässlich und aufgeblasen, und keine Formulierung konnte es richtig ausdrücken.
    Das Dach der Villa tauchte über schwarzen Bäumen auf.
    »Man kann vor seiner Schuld nicht weglaufen, Mary«, sagte er schließlich. »Geht einfach nicht.«
    Die letzte Minute fuhren sie schweigend, und erst als der Van rumpelnd zum Stehen kam, wurde Shaper klar, dass Marys Hand die ganze Zeit sein Bein gehalten hatte.
    Er hatte nicht das Geringste gespürt.

Kapitel 34
    Shaper bildete sich ein, Thornhill hätte seit seinem letzten Besuch ein Flair unschicklicher Selbstgefälligkeit angenommen, als wüsste das Anwesen irgendwie, dass sich das Ende unter seinen Schiefergiebeln abspielen würde, und als schwelge es nun in der eigenen Bedeutung. Als er Mary in aller Eile aus dem Regen führte, ertappte er sich dabei, den Blick auf den Boden gerichtet zu halten, als ob es gälte, die Augen des Hauses zu meiden.
    Hier. Es endet hier . Shaper schauderte.
    Drinnen, wo er sich angesichts der Stille, die sich rasch zwischen Mary und Sandra einstellte, drückend unbehaglich fühlte, suchte er Glass und wappnete sich für ein Verhör. Er

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