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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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Arme vor der Brust und nickte knapp.
    »Wir … wir waren eines Nachts dort oben. Er und ich – in meinem Zimmer. Alle anderen waren hier unten – mein Vater und der Rest der Gruppe.«
    Shaper vernahm ein leises Geräusch, drehte sich um und erblickte Mary am Kopf der Kellertreppe, wo sie lauschte. Sie ignorierte seine fragende Miene, und Sandra ging zu sehr in ihren Erinnerungen auf, um sie überhaupt zu bemerken. IhreHände bewegten sich über den Kaffee, ihre Augen starrten durch sie hindurch in die Vergangenheit.
    »Wir konnten ihre Sprechgesänge hören. Dad wusste nicht, dass Fossey gekommen war, um mich zu besuchen, deshalb verhielten wir uns leise.« Sie wagte ein verhaltenes Grinsen in Vinces Richtung, als teile sie eine alberne Erinnerung mit ihm, dann nahm sie Mary am Rand ihres Blickfelds wahr. Das Lächeln erstarb.
    »Jedenfalls«, fuhr sie mit einem Schniefen fort und hörte sich plötzlich forsch an, »haben wir versucht zu ficken. Und es hat mir nicht wehgetan, wie er vermutet hatte, darum wollte er wissen, weshalb.«
    »Sie waren keine Jungfrau mehr«, sagte Shaper.
    Sie deutete sarkastischen Applaus an. »Ich fing wie eine Idiotin zu weinen an …«
    »Du warst noch ein Kind«, murmelte Vince und verteidigte sie gegen sie selbst.
    »… und es kam alles ans Licht.«
    Shaper ließ ihr einen Moment Zeit, doch es wurde deutlich, dass sie ohne einen Anstoß nicht weiterreden würde. »Sie waren vergewaltigt worden?«, fragte er. »Davor?«
    Sandra richtete das Wort an Mary. »Ja.«
    »Von Karl?«
    Ein weiteres Nicken. »Einige Monate davor, wenn Sie es unbedingt wissen müssen. Es war eine ähnliche Nacht – und das meine ich damit, wenn ich sage, dass es mir schwerfällt, mich daran zu erinnern. Die Dinge verschwimmen irgendwie ineinander, verstehen Sie?«
    »Schon klar.«
    »Auch in jener Nacht waren alle unten. Und haben gebumst. Und Karl war hier, weil … ach, ich weiß nicht, warum. Wahrscheinlich wollte ihn seine Ma bloß im Auge behalten. Hat ihm wohl nicht vertraut. Er und ich sollten oben Hausaufgaben machen, aber ich vermute, dass ihn … ihn die Geräusche von hier unten erregt haben, weil … er …«
    Jäh verstummte sie. Eine Sekunde lang dachte Shaper, sie würde in Tränen ausbrechen, doch im letzten Augenblick streckte sie voll falscher Schicklichkeit das Kinn vor. »Ich erinnere mich nicht gut daran.«
    »Blödsinn«, warf Mary mit einer Stimme gleich einem Skalpell ein. »Karl ist schwul.«
    Sandra wirkte eher mitfühlend als aufgebracht. »Schwul oder nicht, er war ein eifersüchtiger kleiner Widerling.« Sie wischte sich über ein Auge. »Er wollte Fossey ganz allein besitzen. Was er auf die falsche Weise an mir ausgelassen hat.« Sie heftete ein unverhohlenes Starren auf Mary. »Das ist eine männliche Eigenart – besitzen oder besudeln. Und die ist erheblich stärker als Sexualität. Tut mir leid.«
    Mary schien drauf und dran auszuspucken, machte auf dem Absatz kehrt und stapfte zurück, die Treppe hinunter. Abwesend überlegte Shaper, ob er ihr nachgehen sollte.
    »Jedenfalls habe ich Fossey all das in der Nacht erzählt, als wir versucht haben, zu … na ja, Sie wissen schon«, fuhr Sandra fort und nahm ihm damit die Entscheidung ab. Sie schien allmählich aufzutauen. »Ich hatte gehofft, er würde mich unterstützen. Mir helfen. Meine Periode war schon ein paar Mal ausgeblieben, und … und …«
    Vince, geleitet von einem bis dato unvermuteten Instinkt, führte sie zu einem Stuhl am Küchentisch und schlang einen Arm um ihre Schulter.
    »Aber das hat er nicht getan«, sagte sie an Shaper gewandt. »Mich unterstützt, meine ich. Stattdessen wurde er wütend. Hat gebrüllt und rumgeschrien, wurde … besitzergreifend. Damals habe ich das nicht verstanden.«
    »Und heute?«
    Verbittert zuckte sie leicht mit den Schultern, wodurch sie behutsam – wenngleich nicht gänzlich aus Versehen – Vinces Arm entfernte. »Ist ziemlich typisch. Wie bei Rüden, die an Bäume pissen, um ihr Gebiet zu markieren. Herrscher, Untergebener.«
    »Er wurde gewalttätig?«
    »Das können Sie laut sagen. Er hat mehr oder weniger dasselbe gemacht, was Karl bereits getan hatte.« Sie rieb sich das Gesicht, als würde der Schmerz der Erinnerung schlimmer.
    Zum zweiten Mal fühlte Shaper einen kurzen Anflug von Unwirklichkeit, ein matschiges Gefühl von Verkehrtheit – und brach sofort in Schweiß aus. Er verdrängte die Empfindung.
    Ich bin geheilt, ich bin geheilt, ich bin

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