Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
die Überzeugung, jemand triebe sich im Gang vor seiner Wohnung herum. Er war sicher, ein gedämpftes Schnüffeln zu hören, wie das eines großen, dunklen Hundes, der mit der Nase unten an der Tür schnupperte und mit den Pfoten daran kratzte … Als er jedoch letztlich den Mut aufbrachte, durch den Spion zu spähen und danach die leise knarrende Tür zu öffnen und nachzusehen, präsentierte sich der Korridor verwaist und still.
Nur die Ruhe. Du bist zu angespannt.
Entspann dich einfach. Du träges, chemieverseuchtes Scheiß-wrack.
Letztlich rief er nach einem kleinen Gedankenblitz bei Talvir an und bat ihn um einen weiteren Gefallen – noch einen Blick hinter die Kulissen der öffentlich zugänglichen Verzeichniseinträge.
»Karl Devon«, sagte er und fühlte sich hinterhältig. »Ich brauche eine Adresse. Oder … es könnte sein, dass er sitzt. Auf Staatskosten logiert, du verstehst? Kannst du so was auch rausfinden?«
»Na logisch «, erwiderte Tal.
Shaper ging duschen, während er wartete. Er warf die Makrele in den Müll und wusch sich behutsam den Schleim ab, dann schaltete er das Radio ein, während er Gemüse für Ziggy hackte.Selbst das konnte ihn nicht lange ablenken: Eine lehrmeisternde Stimme entschuldigte sich für den Ausfall eines Interviews mit dem »umjubelten urbanen Künstler« Merlin. Eine andere Stimme verkündete zum Abschluss der aktuellen Meldungen die Entdeckung eines bestialisch ermordeten Arztes im Gebiet von St. John’s Wood. Mit einem Knurren schaltete Shaper aus.
Wie alles andere wirkte die Stille ruhelos.
Unentdeckte Dinge. Verpasste Gelegenheiten.
Unbekannte Gefahren.
Und mit alldem in Schüben die traurige Gewissheit seiner eigenen Dummheit.
Er war klug genug, nichts davon zu glauben. Er bemühte sich sogar bestmöglich, es wegzuerklären: nur die Krankheit, nur der verhasste Makel der Vergangenheit. Aber letzten Endes griff er unausweichlich zum Pillenordner, schnaubte gereizt und beschloss, den chemischen Pegel mit entspannendem Diazepam anzupassen.
Bevor er die Tablette aus der Folie drücken konnte, klingelte das Telefon.
»Tal!«, rief er erwartungsvoll. »Hast du ihn gefunden?«
Niemand antwortete.
»Hallo?«
Etwas schniefte und schluckte zu laut, dann ertönte ein unregelmäßiges, elektrisches Knistern. Sämtliche Härchen an Shapers Körper richteten sich auf. Aus unerklärlichem Grund begannen seine Zähne zu schmerzen. Das Geräusch verschwand hinter einem weiteren Atemzug – einem weiteren Schniefen –, bevor es schneller und lauter als zuvor wieder einsetzte.
Nach und nach wurde Shaper klar, was genau er da hörte.
Jemand leckt über die Sprechmuschel.
»Wer ist da?«, flüsterte er.
Und eine geschlechtslose Stimme ohne Tonfall – ohne erkennbare Schwingungen von Leben – antwortete mit einem einzigen, feuchten Hauchen: »Hhhham.«
Und Shapers Sinne überschlugen sich.
Er taumelte, seine Knie wurden schwach, und er fühlte, wie der Raum rings um ihn flimmerte. Schlagartig überkam ihn die Überzeugung, in einer riesigen, tosenden Herzkammer gefangen zu sein; in einem hausgroßen Herzen, das schwindelerregend schnell gegen die Blutplättchen rings um ihn schlug und pulsierte. Er schrie auf und tastete nach dem Pillenordner, obwohl er bereits wusste, dass, was immer er einwürfe, um dieses Grauen zu vertreiben, welche Stimulation er der sensiblen Maschinerie seines Rückenmarks auch verpasste, es nicht so gut funktionieren würde, wie es sollte. Es würde nicht so lange anhalten, wie es sollte, und es würde ihn kaum taub für den himmelschreienden Selbsthass seines eigenen, schuldbefrachteten Gehirns machen.
Resistenz .
Scheiße .
Das Schnüffeln an der Tür kehrte mit voller Wucht zurück und verschlug ihm den Atem. Es schwoll zu einem affenartigen Geschnatter an, zu Handflächen, die gegen die Außenfläche klatschten und das Holz im Rahmen erzittern ließen. Während Shaper nach den Drogen tastete, erblickte er seine Knöchel und würgte, als ihm das schwärende Fleisch in die Augen sprang, die sich windenden Würmer und die winzigen Fliegen. Verdorbenes Fleisch, das über kindartigen Knochen aufbrach.
Verfault.
Tot.
Dieselbe alte Wahnvorstellung; trotz ihrer Vertrautheit immer wieder grauenhaft.
Ein Toter, der so tut, als lebe er noch. Eine betrügerische Leiche, die unter der Last ihrer Lügen gärt.
Er ließ das Telefon fallen, riss eine Beruhigungspille aus ihrer Folie und schluckte sie ohne Wasser, dann warf er spontan
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