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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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ließ. Irgendwie stand sie im Mittelpunkt der Dinge, davon war Shaper überzeugt, und somit befand sich Karl mit im Boot, ob es ihm passte oder nicht.
    All das reichte mit Müh und Not, um den Buchprüfer in seiner Seele zufriedenzustellen.
    Tief in seinem Inneren wusste er, dass die Entscheidung, hierherzukommen, ebenso sehr auf sein Grauen vor Tatenlosigkeit zurückging. Er hatte noch einige Stunden Zeit, bevor er sich mit Sandra treffen sollte. Da er immer noch erschüttert von seinem letzten Anfall war, fürchtete er, es könnte ihn durchaus umbringen, wenn er die Zeit damit verbrächte, in seiner Wohnung Däumchen zu drehen.
    Das ist Initiative.
    Und da er dafür keine Früchte zu ernten schien – was nicht seine Schuld war –, fand er es nur fair, sich für seine uncharakteristische Eigenmotivation zu belohnen. Richtig?
    Richtig .
    Hinlänglich überzeugt steuerte er die Kneipe an und kramte seine Zigaretten hervor.
    Zwanzig Minuten später fühlte er sich rundum wohl.
    Eingehüllt in Rauch und mit einer frischen Dosis versorgt, beobachtete Shaper den Regen und lauschte vergnügt einer Geschichte, die am Nebentisch erzählt wurde und den einfallsreichen Titel trug: »Als meine dritte Frau versucht hat, mir den Schniedel abzuschneiden«. Es erwies sich als peinlich vorhersehbare Erzählung, in der eine Gartenschere, eine Packung Würstchen und ein Labrador vorkamen, aber durch ihre vertraute, schlüpfrige Geschmacklosigkeit eröffnete sie Shaper die schlichte, wohltuende Gelegenheit, das Hirn abzuschalten. Um eine gute Zigarette zu rauchen, ein gutes Bier zu trinken und zufrieden unter einer löchrigen Markise vor der Eingangstür geschützt vor dem Nieselregen zu stehen.
    Pfeif auf alles andere.
    Es war herrlich.
    Und nicht von Dauer.
    »Ich wusste, dass Sie kommen würden«, sagte eine Stimme viel zu nah an seinem Ohr.
    Scheiße .
    In dem Moment, in dem er sich umdrehte, war er sicher, Karl vor sich zu haben. Die bleiche Erscheinung besaß Marys Augen und Mund – zumindest eine Version, die durchschimmerte, wenn sie am verdrossensten war. Shaper löste sich von der Schniedelgeschichte mit dem beunruhigenden Gefühl, etwas Erkennbares – und, schlimmer noch, Attraktives – in einem ansonsten abstoßenden Gesicht auszumachen.
    Karl sah beschissen aus. Zu dünn, vorzeitig gealtert. Ein Schopf schwarzer, nach hinten gegelter Haare, eine Drahtgestellbrille auf dem Rücken einer Hakennase. Seine zu tief in den Höhlen sitzenden Augen wirkten beinah verschleiert, nur ein feuchtes Schimmern hob sie von den Schatten ab. Er musterte Shaper über eine triefnasse Zigarette hinweg, zündete ein Feuerzeug an, schüttelte Nieseltropfen von seiner Jacke, spuckte verächtlich aus und stellte sich neben die Schwelle der Kneipe.
    Er war von drinnen gekommen.
    Er hat gewartet , ging es Shaper durch den Kopf.
    »Ich hab Sie reinkommen gesehen«, erklärte die Erscheinung, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Karls Stimme klang erheblich weicher als die von Mary, nur ein Flüstern mit dem Hauch eines Tonfalls. »Ich hab gewusst, dass Sie hinter mir her sein würden. Hab gewusst, dass Sie kommen würden.«
    Shaper versuchte, sich nicht verunsichert anzuhören. »Hat Mary mich erwähnt?«
    Aber ich hab ihr doch gar nicht gesagt, dass ich   …
    »Mary?« Der Mann schüttelte den Kopf. »Ich rede nicht mehr mit ihr. Weiß gar nicht, wo sie wohnt. Hab sie seit … hm, zehn, fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen. Was hat sie damit zu tun?«
    »Ich …«
    »Spielt keine Rolle. Ist mir egal.«
    »Woher wussten Sie dann, dass ich …«
    »Bitte halten Sie die Klappe.«
    Es ertönte als herrischer, knapper, fast brutaler Befehl, dem jedoch ein Lächeln von so unpassender Aufrichtigkeit folgte, dass Shaper gezwungen war, zu gehorchen, als wäre er der Fähigkeit beraubt worden, eigenständig zu denken. Für seine Wahrnehmung flimmerte und qualmte der Mann in tausend Farben und Formen, ein schillerndes, willkürlich funkelndes Chaos, und bevor er die Kontrolle über seine Sinne zurückerlangte, schien sich die Krankheit beinah von selbst zurückzuziehen, als hätte die bloße zuckende Unbeständigkeit des Mannes den üblichen halluzinogenen Mist besiegt.
    Ein verdammter Bekloppter.
    Spitze.
    Eine lange Weile starrte Karl ihn nur an. Unpassend lange Wimpern hingen tief über seine argwöhnischen Pupillen. Dann streckte er urplötzlich die Hand nach Shapers Bier aus und bediente sich. Er nahm einen ausgiebigen, mehrere Schlucke

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