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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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rausgeworfen; all das unter dem schmutzigen Vorzeichen betrunkener Verwundbarkeit. Er hatte keine Ahnung, wie er sich in einem galanteren Licht rechtfertigen sollte. Angesichts eines harten Tages und eines noch härteren Abends hätte Marys nunmehr freigelegtes »wahres Ich« mit ziemlicher Sicherheit schonender behandelt werden müssen, und Shaper wünschte zu spät, er hätte das nötige Taktgefühl oder genug Erfahrung besessen, um das früher zu bemerken. Nun war ihr Verhalten das einer betrogenen oder – schlimmer noch – einer enttäuschten Frau. Während der schleichenden Stille der Fahrt hatte Shaper, der ihr unbedingt klarmachen wollte, dass es sich nicht um Zurückweisung handelte, instinktiv versucht, sie zum Reden zu bringen.
    Es funktionierte nicht besonders gut.
    »Nur eine Einführung, worum es bei alldem eigentlich geht.Bitte. Die Arbeit, die du machst, was die Leute davon haben … So etwas wie einen Überblick.«
    »So was gibt es nicht«, herrschte sie ihn an. »Das hab ich dir schon gesagt. New Age, Alternativmedizin, beschissene Magie – wie man’s auch nennen will. Es gibt tausende verschiedener Varianten. Keine zwei Menschen praktizieren dasselbe – und genau darum geht’s. Damit werden die Leute geködert. Es dreht sich darum, eine Bedeutung für sich selbst zu entdecken.«
    So langsam wie möglich, um Zeit zu schinden, parkte Shaper ein. »Aber … es muss doch irgendeine gemeinsame Grundlage geben.«
    »Kaum. Und wenn doch, sind es nur von Menschen geschaffene Strukturen. Rituale, Regeln … So ist die menschliche Natur. Dumm.« Mit vor der Brust verschränkten Armen strahlte sie Frostigkeit aus und sprach mit tiefer, nachhaltiger Verbitterung. Innerhalb eines Tages hatte sie sich von einer Hohepriesterin zu einer zornigen Skeptikerin verwandelt, und der schnulzige Enthusiasmus des ersteren Persönlichkeitsaspekts schien die Gehässigkeit des letzteren nicht zu lindern.
    »Tarot«, stieß sie plötzlich hervor. »Zigeunerweisheiten von den verfickten Pharaonen oder ein Kartenspiel aus dem fünfzehnten Jahrhundert, das sich verselbständigt hat? Spielt nicht mal ’ne Rolle, ob man weiß, wovon man redet, weil es eine ellenlange Liste von Interpretationen gibt. Ist wie Malen nach Zahlen für gutgläubige Spinner.«
    »Oh.«
    »Oder Kristalle. Scheißmineralklumpen. Verschiedene Steine entsprechen verschiedenen Körperteilen, fein. Aber glaubst du, die Leute wären sich darüber einig, welchen? Oder wie man sie am besten verwendet? Oder wie sie überhaupt funktionieren?«
    Shaper starrte nur geradeaus und stellte behutsam den Motor ab. Mary hatte unverhofft den wahnsinnigen Blick einer Amokläuferin entwickelt, die hämisch ein Opfer nach dem anderen ausknipste und sich darauf vorbereitete, die Waffe gegen sichselbst zu richten. Shaper fiel auf, dass sie den Blick auf die Klinik auf der anderen Straßenseite geheftet hatte und ihn über die Poster im Fenster wandern ließ.
    »Zauber, Rückführungen, Auren, Astralreisen. Ich habe das vergangene Jahrzehnt damit verbracht, leichtgläubigen Wichsern Scheiße vorzulabern, und jetzt willst du einen Überblick? Na schön, der sieht so aus: Schwachsinn. Zeitverschwendung. Schwachsinn, Schwachsinn, Schwachsinn, Schwachsinn! «
    Dann war sie verschwunden und schlug die Tür des Vans hinter sich zu. Hastig sprang Shaper hinaus, hetzte über die Straße hinter ihr her und erinnerte sie verzweifelt daran, wie sehr sie sich früher am Abend gefürchtet hatte – »Vielleicht sollte ich erst drinnen nachsehen, hm?« Dann musste er gegen den Drang ankämpfen, sich zu ducken, als sie mit gezücktem Schlüssel zu ihm herumwirbelte.
    »Ich komm schon klar! Karl ist harmlos – und er weiß ohnehin nicht, wo ich wohne. Mit mir ist bloß die Fantasie durchgegangen.« Sie steckte den Schlüssel ins Schloss und schleuderte Shaper einen finsteren Blick zu. »Ich bin nun mal so dumm.«
    »Ich sollte … vielleicht trotzdem mal nachsehen«, beharrte er, ach so männlich, drängte sich vorsichtig an ihr vorbei und sperrte die Tür auf. Kurz hielt er auf der Schwelle inne, um flüchtig und verstohlen das Schlüsselloch auf verräterische Wachsspuren zu überprüfen, dann trat er ein.
    Nichts.
    Er stapfte umher wie der Leiter eines Sondereinsatzkommandos, schaltete Lichter ein, spähte in Ecken und riss Schränke auf. Dass Mary ihm gar nicht folgte, geschweige denn ihn beobachtete, bemerkte er erst, als er der Leere hinter sich verkündete, dass hier

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