Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
üblichen geistigen Autopiloten, als er den Van in den Verkehr lenkte und ohne die leiseste Ahnung von einem Ziel auf den Rückruf wartete. Er wollte vorbereitet – bereits in Bewegung – sein, als könnte physische Bewegung echte Fortschritte ersetzen. Sein Gehirn ächzte unter den Erkenntnissen des Abends, und da sich bereits die ersten, vagen Anzeichen der nachlassenden Wirkung der Amytal zeigten – zu früh, zu früh! – und das damit verbundene Zittern einsetzte, dosierte er sich rasch in einen ruhigeren Zustand. Er tat das so automatisch, wie er atmete.
Beruhig dich. Denk nach .
Abermals kramte er das Telefon hervor und rief Canton an.
»Ja?«, ertönte die Stimme des Polizisten ungeduldig. Irgendwo im Hintergrund dröhnte ein Fernseher mit dem Baritongeräusch eines Fußballspiels.
»Heidi Meyer«, stieß Shaper mit immer noch zitternden Fingern hervor. »Die Gärtnerin. Habt ihr sie schon ausgebuddelt?«
»Was? Ja.«
»Und?«
»Ich kann mit dir nicht darüber …«
»Ihr hat etwas aus dem unteren Bereich der Wirbelsäule gefehlt, richtig? Oder ihr … ich weiß nicht, vielleicht ihr Arsch. Ihr verdammtes Steißbein. Irgendwas in der Gegend.«
Muladhara.
Das unterste Chakra.
Die Fußballgeräusche verstummten. Cantons Stimme klang angespannt.
»Woher weißt du das?«
»Stimmt es oder nicht?«
»Ja! Verdammt noch mal, ja, in Ordnung? Ein Stück von ihrem Steiß.«
Shaper schlug in die Luft und johlte vor Triumph, dann wurde ihm klar, was er gerade tat, und er schüttelte die Freude hastig ab. Die Drogen breiteten sich bereits wie warme, kleine Ranken durch seine Fasern aus, aber die Krankheit wollte sich nicht kampflos zurückziehen – seine Finger zitterten immer noch entschieden. Weiter vorne sah er, dass sich eine Kneipenschlägerei auf die Straße ausgebreitet hatte – zwei viel zu leicht bekleidete Primitivlinge, die sich gegenseitig schubsten und anspuckten –, und die Autofahrer lenkten vernünftigerweise um sie herum. Aus irgendeinem Grund hob die leichte Verzerrung in Shapers Sicht die Szene hervor und konzentrierte sich wie eine Rauschstörung auf den Bereich rings um die Kneipe.
Cantons Stimme drang wie aus weiter Ferne zu ihm durch. »Bei einem solchen Sturz«, sagte er, »sind die Knochen von Haus aus nur noch ein Scherbenhaufen. Wir hätten nie bemerkt, dass etwas fehlt, wenn wir nicht danach gesucht hätten.«
»Wie wurde es gemacht?«
»Das willst du bestimmt nicht wi…«
»Canton!«
Die Stimme seufzte. »Er hat in ihr nach oben geschnitten.Durch das Rektum, vermuten wir. Hat den letzten Knochen herausgehackt und sie dann von dem verdammten Dach runterfallen lassen. Keine äußeren Anzeichen.«
Shaper versuchte, nicht daran zu denken. Sein Widerwille belebte die Krankheit nur, ließ sie auf seine Sicht einwirken und die Geräusche und Eindrücke der Rauferei durcheinanderwirbeln; die knalligen Jacken der heraneilenden Polizisten, das Johlen der Menschenmenge am Straßenrand. Sein Herz brüllte unter seinen Rippen – ein körperlicher Schmerz –, und er kramte den Pillenordner ein zweites Mal hervor – Mehr! Mehr! –, verstört von dem Wrack, zu dem er so plötzlich geworden war.
»Keine Anzeichen für einen Kampf in der Wohnung?«, brachte er hervor. »K-kein Blut im Garten?«
»Dort gab es nie welches. Er hat sie weggeschafft, genau wie bei Nummer zwei und Nummer drei. Hat sie aufgeschlitzt, zurückgebracht und runtergeworfen.«
»Und keine Anzeichen für Fesseln? Blutergüsse oder so?«
»Nichts. Auch keine Medikamente in ihrem Blut.«
»Verstehe.«
»Dan. Die Forensiker glauben … dass sie bei Bewusstsein war, als sie fiel. Sie denken, sie war noch am Leben, Kumpel, nachdem er sie aufgeschnitten hatte. Was für ein Irrer tut so was?«
Shapers Haut brannte, als wäre sie vereist. Die Verzerrungen wurden intensiver, konzentrierten sich auf die Schlägerei, und er schluckte willkürlich ein Stimulans. Ihm wurde übel. Denk nicht daran.
»Woher hast du es überhaupt gewusst?«, wollte Canton mit knurrendem Unterton wissen. »Du musst …«
»Spielt keine Rolle. Pass auf, ich muss auflegen. Ich warte auf einen … einen …«
Er ließ den Satz unvollendet, fühlte sich schlagartig wie betäubt.
Das verschwommene Rauschen hatte geblinzelt . Es krümmte sich wie ein Wurm und lenkte seine Aufmerksamkeit höher undweg von dem Tumult der brüllenden Helmträger und fliegenden Fäuste vor der Kneipe, als folge es einem geheimen Muster, ganz
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