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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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erleichtert. Ilse Mader arbeitete also immer noch unter diesem Namen.
    «Sie werden zufrieden sein. Haben Sie Gepäck?»
    Sören deutete auf seine kleine Leinentasche. «Nur die Reisetasche hier.»
    Die Frau zeigte auf eine schmale Treppe neben dem Separee. «Zimmer neun, erster Stock. Dann werde ich der Elli mal Bescheid sagen.»
     
    Etwa zehn Minuten nachdem Sören das Zimmer betreten hatte, klopfte es an der Tür. «Na, wen haben wir denn da?», fragte die Frau gekünstelt, nachdem sie eingetreten war.
    «Bischop», antwortete Sören knapp.
    Sie setzte sich unaufgefordert auf die Bettkante, klappte ein kleines Döschen auf und begann, sich zu pudern. Sören schätzte Ilse Mader auf etwa fünfzig. Sie war von kräftiger Statur, und unter dem spitzenumsäumten Gewand, das sie trug, schimmerten zwei große, schlaffe Brüste hindurch. Ihre Haare waren schwarz gefärbt, und auf ihren Armen zeichneten sich bereits einige Altersflecken ab. Tatsächlich trug sie hochhackige Stiefel, die bis über die Knie geschnürt waren.
    «Einer vonner Kirche, na sieh mal einer tau.»
    «Sören. Sören Bischop», ergänzte er.
    «Der Sören, na gut.» Sie klopfte mit der Hand auffordernd neben sich. «Und? Wollen wir uns das ein wenig gemütlich machen?»
    Sören verschränkte die Arme vor der Brust. «An was Gemütliches habe ich eigentlich nicht gedacht.»
    «Dann bist du bei mir ganz an der richtigen Adresse.» Sie klopfte erneut auf die Matratze. «Ich mag ausgefalleneWünsche. – Aber das kostet dann auch eine Kleinigkeit!»
    «Wie viel?»
    «Zwanzig», antwortete sie etwas zu schnell. «Für zwanzig kannste dir aussuchen, was de willst.»
    «Alles?», vergewisserte sich Sören und gab sich Mühe, dabei einen ungläubigen Gesichtsausdruck zu machen. Er machte ein paar Schritte auf sie zu.
    «Na klar», erklärte sie. «Bislang hat mich noch keiner zum Erröten gebracht.»
    «Ohne Rückzieher?», hakte Sören nach.
    «Mach es nicht so spannend.» Sie nestelte gelangweilt an ihrem freizügigen Dekolleté.
    Sören reichte ihr zwanzig Mark, die sie blitzschnell wegsteckte.
    «Na, dann lass mal sehen, was du zu bieten hast.» Sie wollte sich schon an Sörens Beinkleidern zu schaffen machen, aber er konnte sich, bevor sie die Knopfleiste zu fassen bekam, gerade noch rechtzeitig wegdrehen.
    «Ich bin nicht dafür gekommen, sondern zum Reden», erklärte Sören.
    «Und dabei holst du dir dann einen runter? Wie’s beliebt. Was soll ich dir erzählen?»
    Ilse Mader war anscheinend etwas begriffsstutzig. Sören stellte sich zwischen sie und die Tür. «Wer deinen Mann umgebracht hat.»
    «Ach du Scheiße. Du bist ’n Udl!» Sie sprang auf und wollte sich an ihm vorbeidrängen.
    Sören packte sie auf halbem Wege an der Schulter und warf sie mit aller Kraft zurück aufs Bett. «Bezahlt ist bezahlt», meinte er. «Kein Rückzieher. Ich bin kein Polizist, ich bin Rechtsanwalt. Aber ich weiß, dass die Polizei hinter dir her ist. Wenn ich dich erpressen wollte,hätte ich dir kein Geld gegeben. Von mir erfährt niemand was. Also, was ist vorgefallen? Wer hat ihn erstochen?»
    Sie kauerte sich ans Kopfende des Bettes. «Ich mach das hier nicht, weil’s mir Spaß macht.»
    «Das dachte ich mir schon», erwiderte Sören. Er zog den einzigen Stuhl im Zimmer an die Bettseite und setzte sich. «Ich höre.»
    «Willy konnt nich mehr bezahlen. Er hatte doch alles verspielt, der Idiot.»
    «Was konnte er nicht bezahlen? Die Pacht für die ‹Möwe›?»
    Sie nickte.
    «Aber deswegen wird man doch nicht gleich umgebracht.»
    «Wir waren doch schon über ein Jahr in der Kreide, haben immer nur auf Pump gelebt. Willy konnte machen, was er wollte. Die Schulden wurden immer höher. Zum Schluss waren es mehr als zweitausend Mark, die wir Smitten schuldeten.»
    «Gunnar Smitten? Dem Reeder?», fragte Sören nach. Er konnte sich kaum vorstellen, dass Gunnar Smitten es nötig hatte, sein Kapital mit Wucherei aufzustocken. Smitten war ein angesehener Bürger der Stadt und erfolgreicher Kaufmann. Unter seiner Flagge fuhren mehr als zehn Schiffe auf den Weltmeeren.
    «Ja, Gunnar Smitten», bestätigte Ilse Mader. «Aber solche Sachen macht er nur noch nebenbei. Das sind noch die Reste vom alten Smitten. Bevor der die Reederei gegründet hat, hatte er viele Locale und Etablissements. Überall in der Stadt.»
    «Und Gunnar Smitten hat die Pacht von der ‹Möwe› kassiert?» Sören fragte sich, ob die Polizei diese Hintergründekannte. Ihm gegenüber hatte

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