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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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Gelder zu erpressen. Die kann sich hier nicht mehr sehen lassen.»
    «Und die Mädchen von der Bartels? Was ist aus denen geworden?»
    «’ne Zeit lang haben die ja auch hier angeschafft. Ist aber keine mehr von da.»
    «Sag mal, erinnerst du dich an die Namen der Mädchen? Ich suche nämlich ein Kostkind von Inge Bartels. Sie muss heute etwa einundzwanzig Jahre alt sein.»
    Ilse Mader hatte noch alle Namen parat, schließlich hatte man gemeinsam unter einem Dach gearbeitet. Es waren eine ganze Menge. Bei einem Namen fiel Sören jedoch die Kinnlade herunter. Es war unglaublich. Er musste dringend mit Johanna von Wesselhöft sprechen.

Krankenbesuch 
    20.   August
     
    D er Junge, der auf der Treppe vor der Kanzlei saß, war Sören schon aufgefallen, als er das erste Mal mit dem Wagen durch die Schauenburger Straße gerollt war. Jetzt machte er schon die dritte Runde, um einen Stellplatz zu finden, und der Bursche hockte noch immer auf den Stufen. Sören wollte nur kurz nach der Post sehen und sich dann direkt auf den Weg zum Stadthaus der Familie von Wesselhöft begeben, sonst wäre er nie auf die Idee gekommen, an einem Sonnabendvormittag mit dem Wagen hierher zu kommen. Es war immer dasselbe Bild. Jeder, der vor dem Wochenende noch etwas zu besorgen hatte, schien unterwegs zu sein. Es war zum Verzweifeln, aber eine vierte Runde würde er nicht drehen.
    Nachdem sich Sören davon überzeugt hatte, dass die Durchfahrt für andere Wagen noch möglich war, stellte er die Droschke schließlich an der Ecke zur Kleinen Johannisstraße in zweiter Reihe ab. Auf dem Weg zur Kanzlei dachte er darüber nach, wie Johanna von Wesselhöft wohl reagieren würde, wenn er ihr mitteilte, dass er das Kind ihrer Schwester gefunden hatte; und vor allem, wenn sie erfuhr,
wer
es war. Es gab eine Menge zu besprechen.
    Der Junge kauerte noch immer auf den Stufen. Sören wollte ihn schon wegscheuchen, da sah er, dass es Ludwig war, einer der zwei Jungen, die für ihn die Wohnung von Steen beobachten sollten. Der Junge erkannte Sören sofort und sprang auf.
    «Gibt es Neuigkeiten?», fragte Sören interessiert. Erwar mit seinen Gedanken noch ganz woanders, aber irgendetwas musste vorgefallen sein, denn Ludwig blickte ihn mit sichtlicher Verstörung an. «Was ist los?», fragte er erneut.
    Ludwig blickte beschämt zu Boden. «Sie haben David erwischt», stammelte er.
    «Wer,
sie
? War jemand in der Wohnung?»
    Ludwig nickte. «Muss wohl.» Er zitterte nun am ganzen Körper. «Was genau passiert ist, weiß ich nicht, aber übel zugerichtet haben sie ihn. Eine Hafenbarkasse hat ihn heute früh aus dem Wasser gefischt. Er liegt im Krankenhaus in der Vorstadt.»
    Sören zuckte zusammen. «Verdammt!» Er ärgerte sich maßlos über seine Naivität. Da hatte er zwei Vierzehnjährige damit beauftragt, Kriminelle zu beschatten. Wie war er nur auf eine so verantwortungslose Idee gekommen? Nein, so etwas war eigentlich gar nicht zu verzeihen. «Ich mache mich sofort auf den Weg. Wissen seine Eltern schon Bescheid?»
    «Wir haben keine Eltern.»
    «Was heißt   …» Er sprach den Satz nicht zu Ende. Wo war er nur mit seinen Gedanken. Es lag auf der Hand, dass sie Waisen waren, die bei Hannes Zinken so etwas wie ein Zuhause gefunden hatten. «Egal. Dann geh zu Hannes und sag ihm, ich würde mich um alles kümmern.»
    «Kann ich nicht mitkommen?»
    Er schüttelte energisch den Kopf. «Kommt überhaupt nicht infrage. Es reicht schon, was mit David passiert ist.» Dann machte er auf der Hacke kehrt und ging zügigen Schrittes zu seinem Wagen. So wichtige Post erwartete er nicht, und die Angelegenheit mit Johanna von Wesselhöft konnte warten. Unschöne Gedanken schwirrtendie ganze Fahrt über durch seinen Kopf. Hoffentlich war der Junge nicht ernsthaft verletzt. Wie konnte er das nur wieder gutmachen?
     
    Sah man ihm sein schlechtes Gewissen an? Die Menschen, die ihm im städtischen Krankenhaus begegneten, blickten Sören jedenfalls alle merkwürdig an. Oder bildete er sich das nur ein?
    Dr.   Rieder kam ihm auf dem Flur des Hauptgebäudes entgegen. «Herr Dr.   Bischop, nicht wahr? Wollen Sie zu mir?» Bevor Sören etwas entgegnen konnte, redete Rieder schon weiter. «Wir hatten anscheinend Recht mit der Vermutung, die Erkrankten könnten mit der asiatischen Cholera infiziert sein. Ich habe mich mit dem Kollegen Rumpel   …»
    «Deswegen komme ich nicht», fiel Sören ihm ins Wort und fragte sich gleichzeitig, ob es nicht unhöflich war, den Mann

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