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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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einfach so zu unterbrechen. Normalerweise hätte es ihn schon interessiert, ob man den Erreger inzwischen nachgewiesen hatte; vor allem nach dem gestrigen Gespräch zwischen Hachmann und dem Medicinalrat. Aber momentan kreisten seine Gedanken nur um den Zustand des Jungen. «Am frühen Vormittag wurde ein vierzehnjähriges Kind eingeliefert. Man hat den Jungen   – David ist sein Name – irgendwo aus dem Wasser gefischt.»
    Dr.   Rieder lächelte Sören an. «David heißt er also. Er wollte uns seinen Namen nämlich partout nicht verraten.»
    Sören fiel ein Stein vom Herzen. So, wie Rieder von seinem Patienten sprach, konnte es ihm nicht wirklich schlecht gehen.
    «Ihr Sohn?», fragte der Arzt.
    Sören schüttelte den Kopf. «Nein. Wie geht es ihm?»
    Die Erleichterung war ihm offenbar anzusehen, denn Rieder legte ihm immer noch lächelnd die Hand auf die Schulter. «Hat ein paar ziemliche Blessuren davongetragen, der Junge. Mehrere Rippen und das Schlüsselbein sind gebrochen, Prellungen am ganzen Körper. Außerdem hat er Würgemale am Hals.» Der Arzt blickte Sören ernst an, als wüsste er, dass sein Gegenüber nicht ganz unschuldig am Zustand des Jungen war. «Den hat jemand ziemlich vermöbelt, wenn Sie mich fragen. – Aber er wird’s überleben», fügte er mit einem herben Schmunzeln hinzu.
    «Kann ich mit ihm sprechen?»
    Der Arzt nickte. «Selbstverständlich. Es ist aber kaum ein Wort aus ihm rauszukriegen. Er wollte uns ja nicht mal seinen Namen verraten. Hat nur gesagt, wen wir verständigen sollen: einen gewissen Hannes Zinken vom Schaarmarkt. Wir haben gleich jemanden losgeschickt, aber bislang hat er sich hier nicht blicken lassen. Kennen Sie den Mann?»
    Sören nickte. «Flüchtig.»
    Dr.   Rieder führte Sören zu einem kleinen Pavillon, der etwas abseits auf dem Gelände stand. «Es wäre mir recht», meinte er, während sie die Krankenstube betraten, «wenn Sie ihn in ein, zwei Tagen zu sich nehmen könnten. Er braucht nur ein Bett und viel Ruhe. Wir haben kaum noch Platz, und die Ansteckungsgefahr wächst hier von Tag zu Tag. Sie machen sich keine Vorstellungen.» Er schloss die Tür des Pavillons. «Selbst Hauptmann Weibezahn hat sich angesteckt.» Der Arzt nickte bedeutungsvoll. «Alle bekannten Symptome. Ich habe die kommissarische Leitung des Krankenhauses übernommen, dennoch weiß ich nicht, wie ich der SacheHerr werden soll. Allein gestern sind zwölf unserer Patienten verstorben.» Er verabschiedete sich, nachdem er Sören zum Bett des jungen Patienten gebracht hatte.
    Sören setzte sich auf die Bettkante und fasste Davids Hand. Der Junge sah ziemlich mitgenommen aus. Auf der Stirn hatte er eine kleine Platzwunde, die mit einer Tinktur eingestrichen worden war. Seine Unterlippe war stark geschwollen, an einer Stelle hatte sich eine schorfige Kruste gebildet. Sören war stumm vor Scham. Er machte sich solche Vorwürfe.
    «Ich hab nichts verraten, ehrlich», flüsterte David.
    «Das ist doch völlig egal», sagte Sören und drückte beruhigend seine Hand. «Hast du Schmerzen?»
    «Geht so», entgegnete David tapfer. «Sind alle sehr nett hier zu mir.»
    «Willst du mir erzählen, was passiert ist?»
    David schaute zur Seite, als wolle er kontrollieren, ob sie jemand hören konnte, aber die benachbarten Betten auf dieser Seite des Pavillons waren alle leer. Nur gegenüber lagen noch zwei Patienten, die allerdings schliefen. «Es hat schon gedämmert», begann David so leise, dass Sören sich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen. «Ich lag auf der Lauer, und dann ist ein Typ gekommen, die Treppe rauf. Er hatte ein Bündel unter dem Arm. Ich vorsichtig hinterher, aber nur bis zum Podest. Aber da stand ich nur ganz kurz, denn er kam gleich wieder raus. Immer noch das Bündel unter dem Arm. Ich bin ihm gefolgt. Ganz vorsichtig. Es ging quer durch die halbe Stadt, dann runter zum Hafen.»
    «Hast du den Mann erkennen können?», fragte Sören.
    David schüttelte den Kopf. «Ich bin ja auf Abstand geblieben. Aber er war eher klein und bewegte sich sehrflink. Dann ist er in einem Schuppen am Baakenhafen verschwunden. Kurze Zeit später kam er wieder raus und ist Richtung Wandrahm zu den großen Speichern am Sandthorquai. Da ist er dann rein.»
    «Weißt du den Block noch?»
    David schloss die Augen, als überlege er angestrengt. «Nein», meinte er schließlich. «Ich erinnere mich nicht genau. Da war es ja auch schon dunkel. Aber ich würde es wiedererkennen. Ganz bestimmt.»
    «Was ist

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