Der Blaumilchkanal
fallen uns in die Arme.
Die Gojim machen es genauso. Von mir aus, sollen sie uns doch ruhig nachmachen.
Nicht nur Silvester wirkt sich störend auf unser religiöses und nationales Selbstverständnis aus. Es ist nicht ganz einfach, sich da zurechtzufinden. Es gibt eine ganze Reihe von Fragen, auf welche die Bibel keine Antwort hat. Sogar der Prophet Jesaja, der sein Volk andauernd vor allen existierenden und nichtexistierenden Gefahren gewarnt hat, wußte nichts von den Schrecken des Freitags.
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DlE UNERTRÄGLICHE SCHWIERIGKEIT DES FREITAGS
Als ich an jenem Nachmittag mein Haus betreten wollte, stand mir Felix Selig im Weg, und es gab kein Entrinnen. Der Gesichtsausdruck meines Nachbarn spiegelte den Weltuntergang.
»Sind Sie sich eigentlich der Tatsache bewußt«, fragte mich Felix, »daß der 13. Juli dieses Jahr auf einen Freitag fällt?«
Bis zu dieser Minute hatte ich mich mit dem Problem noch nicht persönlich auseinandergesetzt. Ich warf daher einen Blick in meinen Kalender und stellte unwillig fest, daß an Felix' Behauptung nicht zu rütteln war.
»Ich weiß«, versuchte ich ruhig zu bleiben. »Ich habe alles im Griff.«
Obwohl ich äußerlich ein Bild absoluter Selbstbeherrschung bot, begannen in meinem Bauch einige Schmetterlinge zu flattern. Wenn ich nicht irre, waren es genau 13 Stück. Jeder frischgewickelte Säugling weiß schließlich, daß die Zahl »13« Unglück bringt. Dies dürfte einer der vielen Gründe sein, warum Säuglinge ihr Möglichstes tun, nicht an einem 13. das Licht der Welt zu erblicken. Ebenso wird ein vorsichtiger Mann nie an einem 13. heiraten. Wenn überhaupt.
Es heißt, daß zum Tode Verurteilte, deren Hinrichtung auf einen 13. festgesetzt ist, die delikate Zeremonie zumindest um einen Tag vorverschieben dürfen, um Unglücksfälle zu vermeiden. Und heuer, im Juli, fällt der 13. noch dazu auf einen Freitag. Düstere Vorahnungen beschlichen mich. Freunde und Bekannte sowie einige ausgewählte Passanten, mit denen ich über die bevorstehende Doppelkatastrophe sprach, reagierten mit blankem Entsetzen:
»O Gott, ich bin Ihnen wirklich dankbar, daß Sie mich gewarnt haben«, keuchte unsere Putzfrau kreidebleich. »An diesem Freitag hatte ich nämlich vor, die Vorhänge abzunehmen.« Die Eingangstür unseres Metzgers zierte eine Tafel mit den eilig hingekritzelten Zeilen: »Am kommenden Freitag bleibt das Geschäft wegen unvorhersehbarer Unglücksfälle geschlossen.« Ich stehe natürlich haushoch über derlei Dummheiten.
Mit überlegenem Lächeln sagte ich daher meine Besprechungen für den Freitag ab und teilte unserem Hausarzt mit, er möge sich bereithalten.
Und da ein Übel selten allein kommt, stellte sich mir in dieser dramatischen Phase eine interessante Frage, die ich in Ermangelung eines adäquaten Gesprächspartners mir selber stellte: »Unter mir gesagt, Ephraim«, sagte ich mir, »was ist eigentlich so Furchtbares dran an diesem Freitag?«
Zwar mußte ich zugeben, daß die Abneigung gegen die 13 nicht von ungefähr kommt. Jedem Kulturmenschen ist bekannt, daß auf Leonardo da Vincis berühmtem »Letzten Abendmahl« 13 Personen zu zählen sind, inklusive Judas. Der Aberglaube hat also durchaus seinen Grund.
Es fragt sich nur, was das mich, einen Mann mosaischer Religion, angeht. Schließlich sind alle 13 Juden da Vincis noch rechtzeitig zum christlichen Glauben übergetreten.
Und warum ist ausgerechnet der Freitag der offizielle Unglückstag und nicht zum Beispiel der Donnerstag, wo es donnert? Mein Grübeln führte zu keinem brauchbaren Ergebnis. Alles, was mir einfiel, war, daß Selbstmörder den traurigen Sonntag bevorzugen und Berufshexen den schwarzen Sabbat.
Ich wandte mich daher an Felix.
»Können Sie mir eigentlich sagen, warum ausgerechnet der Freitag ein Unglückstag sein soll?«
»Keine Ahnung«, stieß mein Nachbar hervor und stürzte mit einem heiseren Schrei in das dunkle Tagesgeschehen.
Es stellte sich bald heraus, daß alle meine Bekannten in ähnlichem Dunkel tappten. Wer immer von mir befragt wurde, bestätigte mir vorbehaltlos, daß ein 13. plus Freitag einfach lebensbedrohend sei, aber keiner von ihnen kam weiter als bis Leonardo da Vinci.
Bin Akademiker unter meinen Bekannten riskierte die Vermutung, es handle sich um einen atavistischen Horror aus der Steinzeit, als der Stammeserste noch 13 Frauen ehelichen mußte. Andere erklärten, es wäre müßig» historische Notwendigkeiten in Frage zu
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