Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
höchstens 30 Jahre her sein? Was ist mit ihr geschehen? Und warum war sie nicht mehr so jung wie früher? Sie transit Gloria Birnbaum, dachte ich, ihren Vornamen auf nicht ganz feine Art nutzend. Mit Birnbaum kommt man da nicht weiter. So hieß ihr Gatte.
    Der war, wie sich herausstellte, der Grund ihres Kommens und ihrer Verzweiflung.
    »Ich muß mit dir sprechen«, begann Gloria. »Mein Mann betrügt mich.«
    Ich erstarrte. Nathan Birnbaum betrügt seine Frau? Dieser stille, stets korrekte Brillenträger, dieses Muster von Ordnung, Recht, Gesetz und Feigheit geht fremd? Das ist das Ende. Das bedeutet den Zusammenbruch unseres Staatsgefüges. Wenn sogar Nathan Birnbaum ...
    Mir war elend zumute. Aber ich riß mich zusammen:
    »Hast du Beweise, Gloria?«
    »Beweise? Pah! Ich habe meinen Instinkt. Eine Frau braucht für so etwas keine Beweise. Sie spürt es. Aus hundert kleinen Anzeichen spürt sie es.«
    Das erste der hundert Anzeichen: Nathan war ihr gegenüber völlig gleichgültig. Er sprach kaum noch mit ihr.
    »Wenn er sich wenigstens ab und zu eine kleine Aufmerksamkeit für mich einfallen ließe. Ein kleines Geschenk oder Blumen oder was auch immer. Aber damit ist es schon lange vorbei. Ich bin schon seit Monaten davon überzeugt, daß es eine andere Frau geben muß. Und vorige Woche wurde mein Verdacht bestätigt.«
    »Bestätigt? Wie? Wodurch?«
    »Nathan verwandelte sich plötzlich in den zärtlichsten aller Ehemänner. Bestand aus nichts als Liebe und Aufmerksamkeit. Kam mit kleinen Geschenken an, mit Blumen oder was auch immer. Das ist typisch. Da weiß man sofort, woran man ist.«
    »Aber Gloria...« »Das alles reicht für eine liebende Frau vollkommen aus, um Bescheid zu wissen. Oder daß er plötzlich einen Appetit entwickelt wie ein junger Wolf. Besonders für Fische. Der Fisch enthält bekanntlich diese gewissen Proteine, die für den Mann in gewisser Hinsicht so wichtig sind. Jetzt frage ich dich, wozu braucht ein verheirateter Mann Proteine? Ich kann dir sagen, wozu. Er will sich für seine billigen Nutten in Form bringen. Deshalb ißt er soviel.«
    »Ich hatte den Eindruck, daß er in der letzten Zeit ein wenig abgenommen hat.«
    »Natürlich hat er abgenommen. Er hält ja auch strenge Diät. Ißt nur noch Obst. Etwas anderes rührt er nicht mehr an. Damit er seinen Bauch wegbekommt. Geht in die Sauna. Läuft jeden Morgen vor dem Frühstück fünfmal um den Block. Macht Turnübungen. Liegt Tag und Nacht in der Sonne, um braun zu werden. Was tut ein Mann in seinem Alter mit Sonnenbräune?« »Als ich ihn neulich traf, schien er mir eher blaß.«
    »Stimmt. Glaub nur ja nicht, daß mir das entgangen wäre. Blaß? Krankhaft bleich. Sieht aus wie eine Leiche. Schleppt sich nur noch mühsam dahin. Bringt es vor Erschöpfung nicht mehr fertig, ums Haus zu laufen oder ein paar Turnübungen zu machen. Seine ganze Kraft geht für seine erotischen Abenteuer drauf mit diesen Drecksweibern. Ist doch klar.«
    »Gloria, du übertreibst.«
    »Ich übertreibe nicht. Ich bin eifersüchtig, das gebe ich zu. Aber wenn ich höre, wie er sich im Bett hin- und herwälzt, schwinden meine letzten Zweifel. Er kann nicht schlafen, weil er an seine Liebesaffären denkt. Vor ein paar Tagen hätte ich ihm beinahe die Hausschuhe an den Kopf geworfen.«
    »Weshalb, um Himmels willen?«
    »Stell dir vor, ich wache auf, mein Blick fällt auf meinen Gatten neben mir, und was sehe ich? Er schläft. Schläft wie ein sattes Baby. Ich, seine Frau, wälze mich nachts im Bett hin und her, krank vor Eifersucht, und er schläft! So friedlich und entspannt schläft nur einer, der sein Glück gefunden hat. Womöglich träumt er noch von dieser anderen. Oder gleich von mehreren.«
    Gloria begann leise zu weinen, und auch in mir stieg allmählich dumpfer Zorn gegen Nathan auf. Konnte der Kerl nicht etwas vorsichtiger sein? Mußte er sich alles anmerken lassen? Inzwischen hatte Gloria sich wieder gefaßt:
    »Und wo finde ich ihn gestern? Ich finde ihn in der Garage, wie er gerade seinen Wagen wäscht und auf Hochglanz poliert. Ebensogut hätte er mir gestehen können, daß er eine neue Geliebte hat. Nein, mein Lieber, man muß wirklich kein Genie sein, um das alles zu durchschauen. Du kennst doch sicherlich diese Sorte von Ehemännern, die sich plötzlich zweimal am Tag rasieren und mit eingezogenem Bauch und einer neuen Krawatte vor dem Spiegel stehen, weil sie sich von ihrer verführerischen Wirkung überzeugen wollen?«
    »Ja«,

Weitere Kostenlose Bücher