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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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den ersten paar Quartalen nach dem von ihm sogenannten » SM « die Regel war. Um sich für die Prämien zu qualifizieren, musste man den zwölfwöchigen Kurs an einem Schulungs-und-Management-Zentrum oder SMZ des IRS – und dafür stand das » SM « des Werbers, was ich schon damals ziemlich geschmacklos fand – bestanden haben. Außerdem reden IRS -Angestellte von ihrem Arbeitgeber fast immer als vom »Service«, von ihrem Arbeitsplatz als von ihrer IRS -»Dienststelle«, und die Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses messen sie nicht in Jahren oder Monaten, sondern nach den für den Service-Kalender maßgeblichen vier Steuerquartalen, die den rechtlich vorgeschriebenen Terminen entsprechen, zu denen quartalsweise Steuerabschläge zu entrichten sind bzw. die 1040- EST -Zahlungen, und das einzig Ungewöhnliche dabei ist, dass das zweite Quartal den Zeitraum vom 15. April bis zum 15. Juni umfasst, also nur zwei Monate lang ist, während das vierte vom 15. September bis zum 15. Januar des Folgejahrs reicht – Ursache dafür ist, dass das letzte Quartal dann das gesamte Steuerjahr bis zum 31. Dezember einschließen kann. Der Werber sagte das damals nicht ausdrücklich – vieles davon gehört einfach zu den Hintergrundinformationen über den eigenen Arbeitgeber, die man sich im Lauf der Berufstätigkeit aneignet.
    Inzwischen hatten sich noch zwei weitere IRS -Interessenten im Büro eingefunden, wobei ich mich bei dem einen nur daran erinnere, dass er einen farbenprächtigen einteiligen Schneeanzug trug und eine niedrige Wulststirn hatte. Der andere, ältere Mann dagegen hatte die Sohlen seiner abgelatschten Turnschuhe mit Abdeck- oder Klebeband befestigt, zitterte auf eine Weise, die nichts mit der Temperatur zu tun hatte, und beeindruckte mich, weil er sehr wahrscheinlich eher ein bedürftiger Mensch oder Nichtsesshafter war als ein geeigneter Kandidat für die Anwerbung. Ich versuchte, mich während der formelleren Einführung des Werbers auf das Informationsblatt zu den Prämiensystemen zu konzentrieren, und weiß, dass ich deswegen einige wesentliche Einzelheiten nicht mitbekam. Diese Einzelheiten wurden zeitweise allerdings auch von den Becken und Kesselpauken übertönt, wenn die Erkennungsmelodie der Air Force hinter der Trennwand den Crescendoteil erreichte. Wir drei, das Publikum der Anwerbepräsentation, saßen auf Metallklappstühlen vor dem Schreibtisch des Werbers, der sich anfangs zwischen diesem und dem Flipchart postiert hatte – ich erinnere mich, dass der Mann mit der niedrigen Stirn seinen Stuhl umgedreht hatte, vorgebeugt und mit auf die Lehne gestützten Händen dasaß, das Kinn auf den Knöcheln, während das dritte Mitglied unseres Publikums ein Doughnut aß, nachdem er schon ein paar in die Seitentaschen seiner erdfarbenen Militärjacke gesteckt hatte. Ich erinnere mich, dass sich der Service-Werber permanent auf eine komplexe Farbtafel oder ein Farbdiagramm bezog, das die Verwaltungsstruktur und -organisation des IRS darstellte. Die Darstellung war größer als eine Tafel, der Werber – der mehrmals nieste, ohne die Hand vor die Nase zu halten oder auch nur den Kopf abzuwenden, und während des unvermeidlich mitgehörten »Off we go ...« mehr von diesen kleinen neurologischen Ticks oder Zuckungen hatte – musste immer wieder neue Papierbahnen über den oberen Rand des Flipcharts ziehen, und die ganze Sache war so kompliziert und bestand aus so vielen Abteilungen, Unterabteilungen, Geschäftsbereichen, Koordinierungsstellen und -nebenstellen sowie parallelen oder bilateralen Dienststellen und Geschäftsbereichen für technologischen Support, dass es unmöglich schien, das Ganze auch nur in so allgemeinen Umrissen aufzunehmen, dass man sich dafür wirklich hätte interessieren können, obwohl ich mir bewusst zur Aufgabe machte, so aufmerksam und engagiert wie nur irgend möglich dreinzuschauen, und sei es nur, um zu beweisen, dass ich für das Hüten und Verarbeiten großer Informationsmengen ausgebildet werden konnte. Zu jenem Zeitpunkt war mir natürlich nicht bewusst, dass die ersten diagnostischen Durchleuchtungen potenzieller Kandidaten bereits liefen und dass die exzessive Komplexität und die Einzelkomponenten der Präsentation des Werbers Teil einer psychologischen »dispositionellen Begutachtung« darstellten, die in der IRS -Personalabteilung schon seit 1967 zum Einsatz kam. Von daher verstand ich auch nicht, dass sich der andere potenzielle Kandidat (also der, der nicht

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