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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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meinen Händen und wie ich alle jage, was komisch ist, denn bis zu dem Punkt ist die Erinnerung außergewöhnlich deutlich. Dann hört sie einfach auf, und ich weiß nicht, was danach passiert ist.«
    »Ich glaube, ich hab noch nicht erzählt, wie ich an der Bradley mit so einer komischen Truppe unterwegs war und dass wir im Grundstudium immer so eine komische Masche hatten, wo wir in die Wohnheimzimmer der Leute rein sind und sie festgehalten haben, und dann hat sich Fat Marcus der Geldverleiher auf ihre Gesichter gesetzt.«
    »Daran würd ich mich erinnern, glaub ich.«
    »Das war an der Bradley; ihr wisst ja, was einem da für abgefahrener Scheiß einfällt. Wir waren zu fünft oder sechst, und irgendwann wurden diese sinnlosen Faxen zur Tradition, dass man nämlich morgens um vier im Wohnheim der Erstsemester aufkreuzte und nach nicht abgeschlossenen Türen suchte, da reinstürmte, und wir alle hielten den Typen im Bett fest, und Fat Marcus der Geldverleiher zog die Hose runter und setzte sich auf dessen Gesicht.«
    »...«
    »Das hatte keinen Grund. Für uns war das einfach nur ein Streich.«
    »Fat Marcus der Geldverleiher?«
    »Ein Fettsack aus einer Vorstadt von Chicago. Krankhaft fett. War immer bei Kasse, verlieh Geld und führte darüber Buch in einer eigenen kleinen Wirtschaftskladde. Sehr sorgfältiger Buchhalter, der konnte ohne Taschenrechner die täglichen Zinsen berechnen. Und nie einfach nur Fat Marcus, nein, es war immer ›der Geldverleiher‹. Er war Jude, aber soweit ich weiß, hatte das nichts damit zu tun. Auf die Weise hielt er sich an der Uni über Wasser, nachdem seine Eltern ihm den Wechsel gestrichen hatten – es war nicht seine erste Uni, aber so genau kann ich mich an seine Vorgeschichte auch nicht erinnern.«
    »Und warum setzte er sich den Leuten aufs Gesicht?«
    »Das Abgefahrene machte ja gerade den Reiz aus. Mehr fällt mir dazu nicht ein. Irgendwer war einfach mit der Idee angekommen. Ich fühl mich schon ganz komisch, wenn ich nur überlege, wie sich das beschreiben lässt.«
    »Und was hat der Typ im Bett gemacht?«
    »Der Typ im Bett war nicht direkt wunschlos glücklich, darauf kannst du Gift nehmen. Alles ging wahnsinnig schnell, wir sind reingestürmt und über den Typ hergefallen, bevor er überhaupt wach war. Vier schnappten sich seine Arme und Beine, und ruck, zuck zog Fat Marcus der Geldverleiher die Hose runter, setzte sich dem Typ aufs Gesicht und blieb genau so lange sitzen, dass der Junge im Bett nicht erstickte. Und dann waren wir ratzfatz wieder verschwunden. Das war bei der Sache ganz wichtig, denn dann wusste der Typ im Bett wahrscheinlich nicht mal, ob das wirklich passiert war oder ob er nur Albträume gehabt hatte.«
    Sie waren nicht weit weg vom Sticky; der Nebel war ein vom Fluss aufziehendes Unwetter. Selbst die Luft stand in Habacht. Zwei balkonbrüstige ältere Frauen starrten beim Münzladen ins Schaufenster.
    Sie hatten alle ihre unbewussten Marotten, die vielleicht nur Hurd als der Neuste ganz mitbekam. Agent Lumm hatte bei Vor-Ort-Überwachungen die Angewohnheit, sich geistesabwesend mit den Schneidezähnen einen Fitzel toter Haut von der Lippe zu knabbern und ihn von der Zungenspitze sanft irgendwohin in die Unsichtbarkeit zu pusten. Er merkte überhaupt nicht, dass er das machte, stellte Hurd fest. Gaines zwinkerte langsam auf hölzerne, stumpfsinnige Weise, die Hurd an eine Echse erinnerte, deren Fels nicht heiß genug war. Todd Miller trug einen Cordmantel mit Lammfellkragen und quetschte und lockerte abwechselnd den linken Ärmel; Bondurant starrte zwischen seinen Schuhen einen Punkt auf der Matte des Transporters an, als wäre das ein Abgrund. Hurd fand es verblüffend, dass niemand rauchte. Er selbst war ein endloser Katalog aus Ticks und Fimmeln.
    Ein Agent, der noch in der Probezeit war und dessen Sonnenbrille ihm am Kragen baumelte, trug Doc Martens mit zwölf Löchern, wie Hurd mehrmals gezählt hatte.
    »Wie zieht Marcus der Geldverleiher die Hose wieder hoch, während ihr alle rausrennt?«
    Ein langes Schweigen folgte, und Bondurant bedachte Gaines mit dem Blick eines Knastbruders. Gaines sagte: »Schon mal versucht, dich beim Laufen anzuziehen? Geht nicht.«
    »Der Typ glaubt vielleicht, er hätte bloß geträumt, bis er aufsteht, sich rasieren will und seine platt gequetschte Nase und den großen Arschabdruck auf seinem Gesicht sieht.«
    »Hat er gebrüllt?«
    »Gedämpft haben sie alle gebrüllt. Natürlich haben sie gebrüllt. Aber

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