Der bleiche König: Roman (German Edition)
Remembrance Drive (der ganze Tag ist gratis und aus den Einnahmen der Papier- und-Aluminium-Sammelaktion finanziert, für deren Organisation und Leitung der Junge den ganzen Sommer über morgens um vier aufgestanden ist; der Überschuss der Sammlung geht ans Rote Kreuz und die Eltern eines Drittklässlers aus Kentwood mit offener Wirbelsäule im Endstadium, dessen größter Wunsch es ist, von seinem motorisierten Rollstuhl aus einmal im Leben Night Train Lane von den Detroit Lions live spielen zu sehen), und die Einladungen nennen die Party ausdrücklich so – eine FRESSFETE – in einer bauchigen Schrifttype für die Legende unter einer illustrierten Explosion von guter Laune, Wohlgefallen und hemmungslosem, alle Register ziehendem SPASS mit der halbfett gesetzten Klausel BITTE – KEINE GESCHENKE in jeder der vier Ecken jeder Karte; und die dreihundertsechszehn via First-Class-Mail an alle Schüler, Lehrer, Vertretungslehrer, Referendare, Sekretärinnen und Raumpfleger der C .- P .-Robinson-Grundschule versandten Einladungen erbringen eine Teilnahme von insgesamt neun Feiernden (Eltern oder dipl. Krankenschwestern der Behinderten nicht mitgezählt), und dessen ungeachtet verbringt man eine unerschrocken schöne Zeit, und so lautet denn auch der Konsens auf den am Ende der Party ausgeteilten (ebenfalls pergamentenen) Fragebogen für die ehrliche Auswertung und Verbesserungsvorschläge, und die gewaltigen Reste an Schokoladentorte, Fürst-Pückler-Eiscreme, Pizza, Chips, Karamell-Popcorn, Hershey’s Kisses, Rotkreuz- und Officer-Chuck-Broschüren über Organ-/Gewebespenden bzw. das angemessene Verhalten, wenn man von Fremden angesprochen wird, koscherer Pizza für die Orthodoxen, Designerservietten und Diätsoda in Souvenirplastikgläsern mit der Aufschrift ICH ÜBERLEBTE LEONARD STECYKS FRESSFETE ZUM 11. GEBURTSTAG 1964 mit ins Glas eingelassenen Strohhalmlemniskaten, die die Gäste als Erinnerungsstücke behalten sollten, werden dem Kinderheim von Kent County gespendet und mit Transportmitteln hingebracht, die das Geburtstagskind organisiert hat, während das große Twister-Gerangel noch im Gang ist, aus Sorge, dass geschmolzene Eiscreme, schale Getränke und trockenes Gebäck die Chance vertun würden, den vom Glück weniger Begünstigten zu helfen; und sein Vater, der den holzverkleideten Kombi fährt und sich mit einer Hand die zuckende Wange hält, bekennt erneut, der Junge neben ihm habe ein großes, gutes Herz, und er sei stolz auf ihn, und wenn seine Mutter je das Bewusstsein zurückerlange, was sie beide so sehr hoffen, werde sie, da sei er sicher, ebenfalls sehr stolz auf ihn sein.
Der Junge bekommt Einsen und so viele vereinzelte Zweien, dass ihm seine Noten nicht zu Kopf steigen, und seine Lehrer schütteln sich schon, wenn sie nur seinen Namen hören. In der fünften Klasse führt er eine Bezirkssammlung durch, um einen Sonderfonds an Fünfcentstücken für Kinder zu bilden, die ihr Milchgeld beim Mittagessen schon ausgegeben haben, aber aus welchen Gründen auch immer noch mehr Milch brauchen oder jedenfalls trinken möchten. Die Jolly Holly Milk Company kriegt das spitz und lässt auf ihre kleinen Milchkartons ein Verslein über den Fonds sowie eine Strichzeichnung des Jungen drucken. Zwei Drittel der Schule trinkt daraufhin keine Milch mehr, und der Sonderfonds wächst dermaßen an, dass der Rektor einen kleinen Safe für sein Büro beantragen muss. Der Rektor schluckt inzwischen Seconal, um schlafen zu können, leidet an einem feinschlägigen Tremor und muss nach zwei verschiedenen Anlässen wegen Fehlverhaltens an Fußgängerüberwegen Bußgelder zahlen.
Eine Lehrerin, der der Junge die Skizze einer Neuorganisation der Kleiderhaken und Schuhablagen an der Wand im Klassenzimmer unterbreitet, sodass Jacke und Gummischuhe des Schülers, dessen Tisch der Klassenzimmertür am nächsten steht, der Tür ebenfalls am nächsten sind, und die des zweitnächsten am zweitnächsten usw., um den Abgang der Schüler in die Pause zu beschleunigen und Verzögerungen, potenzielle Reibereien und Zusammenballungen halb angezogener Schüler an der Tür zu reduzieren – Verzögerungen und Zusammenballungen, deren statistische Häufigkeit der Junge im laufenden Trimester mitsamt den erforderlichen Grafiken und Pfeilen penibel, aber wohlweislich anonymisiert festgehalten hat –, diese unkündbare und hoch respektierte Veteranin des Schulwesens also fuchtelt am Ende mit stumpfen Scheren herum, droht, erst den Jungen
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