Der bleiche König: Roman (German Edition)
Sterben liegt, könnte bedeuten, dass du sexuell bei mir bessere Karten hast?«
»Nein, das habe ich nicht gedacht.«
»Gut. Dann ist es ja gut.«
Beth Rath kommt auf ihren Tisch zu und öffnet schon den Mund, will etwas sagen oder sich am Gespräch beteiligen, aber Meredith Rand wirft ihr einen Blick zu, auf den hin Rath auf dem Absatz kehrtmacht und sich wieder auf den roten Lederhocker an der Bar setzt, wo Ron gerade die Kohlensäurekartusche wechselt. Meredith Rand stellt ihre Handtasche auf den Tisch und steht auf, um sich einen neuen Drink zu holen.
»Möchtest du noch ein Heineken oder so?«
»Ich hab noch nicht ausgetrunken.«
»Die Sau rauslassen ist nicht so dein Ding, hm?«
»Ich hab schnell genug. Mein Magen verträgt nicht viel.«
»Glückspilz.«
Während Ron Meredith Rand den Gin Tonic mixt, haben Rand, Rath und Sabusawa einen kurzen Wortwechsel, den Drinion nicht mitbekommt, obwohl er im Fassadenfenster vom Meibeyer’s blasse Spiegelbilder der Leute an der Bar sehen kann. Niemand weiß, wie er aussieht oder was sein Gesicht anstellt, während er allein am Tisch sitzt, oder auch nur, was er ansieht.
»Hast du schon mal was von Kardiomyopathie gehört?«, fragt Rand und setzt sich wieder. Sie sieht ihre Handtasche an, die von der Form her schon eher ein Beutel ist. Der Gin Tonic ist schon wieder halb leer.
»Ja.«
»Ja was?«
»Meines Wissens ist das eine Herzkrankheit.«
Meredith Rand tippt sich mit dem Feuerzeug prüfend gegen die Schneidezähne. »Du bist anscheinend ein guter Zuhörer. Oder? Möchtest du eine traurige Geschichte hören?«
Nach einem Augenblick sagt Drinion: »Ich weiß nicht genau, wie ich das beantworten soll.«
»Ich meine meine traurige Geschichte. Einen Teil davon. Jeder hat so seine traurige Geschichte. Möchtest du einen Teil davon hören?«
»...«
»Es ist genauer gesagt eine Krankheit des Herzmuskels. Kardiomyopathie.«
»Ich dachte, das ganze Herz ist ein Muskel«, sagt Shane Drinion.
»Im Gegensatz zu den Herzkranzgefäßen ist gemeint. Glaub mir, ich bin da inzwischen eine Expertin. In der Regel sind mit herzkrank die größeren Gefäße gemeint. Wie bei einem Herzinfarkt. Kardiomyopathie bezieht sich auf den Herzmuskel, also richtig das Ding, das sich zusammenzieht und entspannt. Besonders bei unbekanntem Ursprung. Was der Fall ist. Man weiß nicht, was es verursacht hat. Sie gehen von der Theorie aus, dass er an der Uni eine schlimme Grippe hatte oder sich einen Virus eingefangen hat, den er scheinbar auskuriert hatte, aber keiner wusste, dass er sich in Wahrheit irgendwie im Herzmuskel eingenistet hatte, also dem Muskelgewebe des Herzens, und das Herz wurde infiziert und in seiner Leistung beeinträchtigt.«
»Ich glaube, ich verstehe.«
»Da denkt man sich doch vielleicht, wie traurig, sich zu verlieben und zu heiraten, und dann holt sich der Ehemann eine tödliche Krankheit – denn das ist sie, sie ist tödlich. Wie bei dem reichen Jungen in dem Film, wie heißt der noch gleich, nur ist es da die Frau, eine ziemlich dumme Pute, wenn du mich fragst, aber der reiche Junge wird enterbt und so und heiratet sie, und dann stirbt sie ihm. Drückt richtig auf die Tränendrüse.« Auch Rands Augenausdruck ändert sich leicht, als sie sich zurückerinnert. »Es ähnelt einer Herzinsuffizienz. In vielen Fällen einer Kardiomyopathie wird als Todesursache am Ende tatsächlich Herzinsuffizienz aufgeführt.«
Shane Drinions Hand umschließt das Glas mit dem Bierrest, hebt es aber nicht an. »Liegt das daran, dass der Herzmuskel in seiner Leistung beeinträchtigt wird und sich nicht mehr so zusammenziehen kann, um das Blut zirkulieren zu lassen?«
»Genau, und das hatte er schon, bevor wir geheiratet haben, sogar schon, bevor ich ihn überhaupt kennengelernt habe, und als wir uns kennengelernt haben, war ich blutjung, noch keine achtzehn. Und er war da schon zweiunddreißig und Stationspfleger im Zeller.« Sie zieht eine Zigarette aus dem Etui. »Weißt du zufällig, was das Zeller ist?«
»Ich nehme an, du meinst die Nervenheilanstalt bei den Exposition Gardens an der Northmoor.« Drinions Gesäß schwebt ein winziges Stück – vielleicht einen, höchstens zwei Millimeter – über der Sitzfläche seines Holzstuhls.
»Der Haupteingang liegt genau genommen an der University.«
»...«
»Es ist eine geschlossene Anstalt. Weißt du, was eine geschlossene Anstalt ist?«
»Im allgemeinen Sinne, ja.«
»Meinst du das bloß höflich?«
»Nein.«
»Eine
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