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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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mich.«
    Meredith Rand nimmt sich noch eine Zigarette. »Das klingt, als würdest du das von einem Stichwortzettel ablesen.«
    »Tut mir leid, wenn es sich so anhört. Ich wollte nur meine Antwort auf deine Frage erläutern, weil ich das Gefühl hatte, meine Antwort hätte dich verletzt, und ich dachte, eine weitere Erläuterung könnte diese Verletztheit abmildern. Oder deinem Ärger präkavieren. Meines Erachtens handelte es sich einfach um ein Missverständnis, ausgehend von einer Fehlkommunikation im Zusammenhang mit dem Ausdruck langweilig .«
    Ihr Lächeln ist gleichzeitig spöttisch und ernst. »Dann bin ich also nicht die Einzige, die vor Missverständnissen Angst hat und ihnen aus emotionalen Gründen vorzubeugen versucht.« Aber sie merkt, dass er es ehrlich meint; er hält sie nicht zum Besten, kriecht ihr aber auch nicht in den Arsch. Das spürt Meredith. Dieses Gefühl stellt sich ein, wenn sie Shane Drinion gegenübersitzt und seinen Blick und seine Aufmerksamkeit spürt. Es ist keine Erregung, aber es ist intensiv, ein bisschen wie das Gefühl, wenn sie vor dem Starkstromumspannwerk südlich der Joliet Street steht.
    »Darf ich fragen, ob es eine Projektion ist, wenn man Emotionen, die einen selbst betreffen, auf andere Menschen projiziert?«, fragt Drinion. »Ist das nicht eine Verschiebung?«
    Sie verzieht das Gesicht. »Diese ganze Begrifflichkeit hat er einfach gehasst. Er sagte, das wäre auch so ein Teil der im eigenen Saft schmorenden Institution des Psychiatriesystems. Er sagte, allein dieser Begriff wäre ein Widerspruch in sich: Psychiatrie system . Das war dann schon am Abend darauf im Lastenaufzug, weil irgendwer auf der Treppe eines anderen Stockwerks unsere Stimmen gehört hatte, weil das ganze Treppenhaus aus Beton und Metall war und ein Echo erzeugte, und Ed bekam einen Anpfiff von der Stationsleitung, weil er es noch unterstützte, dass ich ihn auf ungesunde Weise zur Bezugsperson auserkoren hatte, und auf den Trichter waren sie gekommen, weil ich an den zwei Tagen, wo er nicht da war, so aufgewühlt gewesen war – wie sich herausstellte, wäre er um ein Haar gefeuert worden, hauptsächlich weil er die viertelstündlichen Kontrollgänge jetzt manchmal ausließ, und ein Mädchen hatte sich den Finger in den Hals gesteckt und das Abendessen ausgekotzt, und irgendwer hatte Kotzereste gesehen, und Ed hatte davon nichts mitgekriegt, weil er im Treppenhaus gelegen hatte und es ihm immer schwerer fiel, wieder hochzukommen, wenn er mit hochgelegten Füßen dagelegen hatte, auch wenn ich ihm half, und er hatte ein paar Kontrollgänge sausen lassen. Ein paar Mädchen zickten auch herum, weil wir uns immer unterhielten, als wäre ich sein Liebling, und sie verbreiteten bei den Ärzteteams das Gerücht, ich würde immer so tun, als müsse ich unter vier Augen mit ihm reden, und würde ihn wegziehen oder mit ihm rummachen oder was weiß ich? Ein paar von den Mädchen waren fies wie Tier, das waren solche Pissnelken, das hatte ich echt noch nicht gesehen.«
    »...«
    »Und das war dann auch der Tag, an dem ich entlassen wurde oder gesagt bekam, ich würde am Tag darauf entlassen; meine Eltern hatten das eingefädelt, und am Tag darauf gab es ungefähr sieben Millionen Formulare zu unterschreiben, und dann konnte ich nach Hause. Es gab noch ein kleines Affentheater, weil meine Mom den einen Arzt dazu brachte, eine ambulante Gesprächstherapie zu vereinbaren, blablabla. Nach dem Essen wurde der Lastenaufzug abends nicht mehr benutzt, also öffnete er ihn, wir gingen rein, und er setzte sich auf den Boden; der Boden hatte so ein Metallgitter, und man konnte sich nicht hinlegen. Und es stank; das war schlimmer als im Treppenhaus.
    Er sagte, das wäre unser letzter Abend, unser letztes Gespräch, und als ich sagte, ich hätte gern einen intensiven persönlichen Austausch, sagte er, das wäre unser Finale, danach würden wir uns wahrscheinlich nie wiedersehen oder sprechen. Ich hab ihn gefragt, wie er das meint. Aber ich bin voll durchgedreht. Ich war die mit den Hintergedanken. Es war unser Finale. Ich wusste, dass ich keine linken Dinger abziehen konnte, nur um länger zu bleiben, weil er die durchschaut und mich bloß ausgelacht hätte. Aber ich war bereit, ihm zu sagen, dass ich romantische Gefühle hätte – dass ich mich von ihm angezogen fühlte, auch wenn ich spürte, dass das nicht sexueller Natur war, obwohl ich später herausfand, dass es das doch war. Wegen meinem Problem konnte ich mir

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