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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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Aufzug stand, auf ihn runtersah und offen und ehrlich seine Quizfrage beantwortete, obwohl ich insgeheim ganz einfach durchdrehte. In Wahrheit hatte ich das Gefühl, als wäre er in Wirklichkeit genau das, was seiner Meinung nach unmöglich und kindisch war, als wäre er selber genau dieser Mensch, den ich seiner Ansicht nach nie finden würde. Ich hatte das Gefühl, er liebte mich.«
    »Es handelte sich also um einen sehr intensiven emotionalen Konflikt«, sagt Shane Drinion.
    Rand presst die Handflächen an die Schläfen und verzieht das Gesicht zur Grimasse eines Nervenzusammenbruchs. »Ich hab ihm gesagt, es ginge darum, die anderen Leute zu vergessen, ob sie sich angezogen fühlen oder nicht, ob sie mich wirklich mögen, und stattdessen mich selbst anständig und als wertvoll zu behandeln, mich selbst auf erwachsene Weise anzunehmen – und das war alles wahr, das hatte ich wirklich gelernt, aber ich sagte das alles auch für ihn, weil er das von mir hören wollte, um das Gefühl haben zu können, er hätte mir geholfen. Aber wenn ich sagte, was er hören wollte, bedeutete das dann, dass er gehen konnte und ich ihn nie wiedersehen würde und ich würde ihm nie fehlen, weil er glaubte, mir ginge es gut, und das würde auch so bleiben? Aber ich hab’s trotzdem gesagt. Ich wusste, wenn ich sagte, ich liebte ihn, oder mich auszog und ihn auf der Stelle küsste, musste er glauben, ich steckte immer noch in dem kindischen Problem drin, dann musste er glauben, ich würde eine Behandlung als eigenständiger, wertvoller Mensch immer noch mit Sex und romantischen Gefühlen verwechseln, und dann musste er glauben, er hätte seine Zeit verschwendet und die Sache wäre hoffnungslos, musste glauben, es wäre hoffnungslos und er wäre nicht zu mir durchgedrungen, und das konnte ich ihm nicht antun – wenn er sterben musste oder gefeuert wurde, dann war das das Mindeste, was ich ihm schuldig war: das Wissen, dass er mir geholfen hatte, auch wenn ich in Wahrheit das Gefühl hatte, dass ich ihn vielleicht liebte oder brauchte.« Sie drückt ihre Zigarette ohne die früheren Stechbewegungen aus, fast schon zärtlich, als würde sie zärtlich an etwas anderes denken. »Ich hatte plötzlich das Gefühl: O mein Gott, das meinen die Leute also immer, wenn sie sagen ›Ohne dich sterbe ich, du bist mein ganzes Leben‹, du weißt schon, › Can’t live, if living is without you ‹«, und das Letzte singt Meredith Rand auf die Melodie von Harry Nilssons Song. »Die ganzen fürchterlichen Countrysongs, die mein Dad immer in seiner Werkstatt in der Garage gehört hat, die drehten sich ausnahmslos darum, dass jemand die Geliebte verloren hat und warum und dass er ohne sie nicht leben kann, wie schrecklich sein Leben jetzt ist und dass er die ganze Zeit trinkt, weil es so schrecklich wehtut, ohne sie zu sein, und ich konnte die nie ausstehen, weil ich sie so grauenhaft kitschig fand, und ich hab nie was gesagt, konnte mir aber nie vorstellen, dass er dieses Zeug hören konnte, ohne kotzen zu müssen ... Er sagte allerdings, wenn man sich diese Songs anhört und das you durch me ersetzt, dann versteht man, dass sie eigentlich davon singen, einen Teil ihrer selbst verloren zu haben oder sich selbst immer wieder zu betrügen, weil andere Leute das anscheinend wollen, bis sie innerlich irgendwann abgestorben sind und nicht mal mehr wissen, was me bedeutet, und deswegen können sie sich die ganze Sache nur so denken und fühlen sich so tot und traurig, weil sie glauben, sie brauchen einen anderen Menschen und können ohne den nicht leben, ohne diesen anderen Menschen – und rein zufällig ist das ja genau die Situation eines kleinen Babys, das stirbt nämlich sehr buchstäblich, wenn es nicht gehalten, gestillt und versorgt wird, und er sagte, das wäre in Wahrheit überhaupt kein Zufall.«
    Drinions Stirn kräuselt sich wieder nachdenklich. »Ich bin verwirrt. Ed erläuterte die wahre Bedeutung von Country-&-Western-Songs im Aufzug? Dann hast du ihm also von den Songtexten erzählt und dass du deren Stimmung jetzt verstehen konntest?«
    Rands Blick schweift durch den Raum, vielleicht auf der Suche nach Beth Rath. »Was? Nein, das war später.«
    »Dann habt ihr euch nach dem Aufzug also doch wiedergesehen.«
    Rand hebt die Hand und zeigt den Ehering. »O ja.«
    Drinion sagt: »Brauche ich weitere Informationen, um das zu verstehen?«
    Rand wirkt zerstreut und verärgert. »Nun, er ist offenkundig nicht gestorben, Mister

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