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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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als Houston mit seinem Stadtteil aus Lagerhäusern und ausgeschlachteten Speichern, wo sich ihnen für zwei Monate »Murray Blade« angeschlossen hatte, der halb professionelle Schweißer, dessen Messer mit der Sprungfeder am Unterarm eine Tätowierung desselben Messers zwischen zwei frauenlosen blauen Brüsten bedeckte, die anschwollen, wenn er die Hand zur Faust ballte, was ihn amüsierte. Männer mit Lederwesten und Launen, die, wenn sie blau waren, auf eine Weise zärtlich wurden, die einem eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
    Der Highway 54 war keine Bundesautobahn, und wenn die Druckwellen der entgegenkommenden Sattelschlepper den Laster mit seinem Dachaufbau trafen, erzeugte das eine Gierung, und die Mutter musste gegensteuern. Alle Scheiben gegen den gespeicherten Geruch des Mannes runtergekurbelt. Etwas Unaussprechliches im Handschuhfach, das sie auf Anweisung der Mutter, die nicht hinsehen konnte, schließen sollte. Die Karte mit der Zweideutigkeit flatterte im Luftstrom und verschwand im Flimmern der Straße hinter ihnen.
    Westlich von Pratt, Kansas, kauften und aßen sie bei Convenient Mart Burritos, die in dem dafür vorgesehenen Gerät aufgewärmt wurden. Ein riesiger unaustrinkbarer Slushee.
    Hinter ihrem Kürass aus Radkappen und Folie hatte die Mutter der Mutter behauptet, wenn der wahnsinnige Jack Benny oder seine Sklaven mit den Spiralen in den Augen hinter ihnen her wären, wäre es das Beste, sich tot zu stellen, mit ausdruckslos offenen Augen dazuliegen und weder zu zwinkern noch zu atmen, während die Männer ihre Strahlkanonen in die Holster steckten, das Haus durchsuchten, sie musterten, die Schultern zuckten und einander sagten, wir sind zu spät gekommen, schau mal, die Frau und ihre schnuckelige Tochter sind schon tot, die lassen wir lieber in Ruhe. Gezwungen, das in den Einzelbetten zu üben, offene Tablettenflaschen auf dem Nachttisch zwischen ihnen, die Hände auf der Brust gefaltet, die Augen weit offen und so flach atmend, dass sich die Brust niemals hob. Die ältere Frau konnte sehr lange die Augen offen halten, ohne zu blinzeln; die Mutter konnte das als Kind nicht, und sie fielen ihr schnell von allein zu, denn ein lebendiges Kind ist keine Puppe und muss blinzeln und atmen. Die ältere Frau sagte, mit der richtigen Disziplin und Zeit könne man die Augen mit reiner Willenskraft befeuchten. Sie sagte ihr Gesätz an einer Plastikperlenkette auf und hatte ein Nickelschloss am Briefkasten. An den Fenstern wurden die Sicheln zwischen den schwarzen Kreisen der Radkappen mit Alufolie ausgestopft. Die Mutter hatte Tropfen dabei und behauptete immer, sie hätte trockene Augen.
    Vorn mitzufahren war schön. Sie fragte nicht nach dem Lastermann. Sie saßen in seinem Laster, aber er war nicht dabei; daran war schwerlich etwas auszusetzen. Die Aussagen der Mutter waren weniger unterentwickelt, wenn sie in dieselbe Richtung sahen; sie witzelte, sang und warf der Tochter kurze Blicke zu. Die Welt jenseits der Reichweite der Frontscheinwerfer war sehr dunkel. Ihr Name war der Mädchenname der Großmutter, Ware. Sie stemmte die Fußsohlen auf das schwarze Armaturenbrett des Lasters und sah zwischen den Knien hinaus auf die ganze Scheinwerferzunge der Straße vor ihnen. Der durchbrochene Mittelstrich morste sie an, und Wolken zogen über den knochenweißen Vollmond und nahmen dabei Gestalt an. Im Westen flackerten Blitzfinger, dann Hände und schließlich ganze Bäume über den Horizont; nichts verfolgte sie. Sie hielt weiter Ausschau nach Lichtern oder Zeichen, dass sie verfolgt wurden. Der Lippenstift der Mutter war zu grell für die Form ihres Mundes. Das Mädchen fragte nicht. Ihre Chancen standen gut. Der Mann gehörte entweder zu der Sorte Mann, die Anzeige erstattete, oder er würde sie wie ein zweiter »Kick« zu verfolgen und zu finden versuchen, weil sie ihn, den Hut auf der Straße schwenkend, zurückgelassen hatten. Wenn sie fragte, würde das Gesicht ihrer Mutter erschlaffen, während sie überlegte, was sie sagen sollte, sich in Wahrheit aber gar nichts überlegt hatte. Segen und Fluch des Mädchens war, zu wissen, dass sie beide gleich dachten, und sie hielt das Lenkrad, wenn wieder Augentropfen geträufelt wurden.
    In Plepler, Missouri, gingen sie frühstücken, während der Regen in den Rinnsteinen schäumte und auf die Scheiben des Cafés trommelte. Die krankenschwesterweiß gekleidete Kellnerin hatte ein zerfurchtes Gesicht, nannte sie beide »Schatz«, trug einen Anstecker

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