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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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sondern geradezu angemessen), dessen Kragen sie mit einer Hand fest geschlossen hielt, während sie durch den Türspalt mehrere Punkte hinter Stecyks Schulter absuchte, als sei sie sicher, dass jemand hinter ihm stehen müsse. Stecyk sagte: »Mein Name ist Leonard Stecyk, ich werde Leonard genannt, aber auch Len ist, was mich betrifft, absolut in Ordnung. Ich hatte neulich das Glück, in Apartment Nr. 6F vom Angler’s-Cove-Komplex oben an der Straße einzuziehen und mich häuslich einzurichten, den Komplex haben Sie bestimmt schon gesehen, wenn Sie das Haus verlassen haben oder nach Hause zurückgekommen sind, er liegt gleich die Straße hoch bei Nr. 121, und ich möchte Guten Tag sagen und mich vorstellen und sagen, dass ich sehr erfreut bin, jetzt einen Teil dieser Nachbarschaft zu bilden, und als Begrüßungsgeschenk und Dank möchte ich Ihnen dieses Gratisexemplar des landesweiten Postleitzahlenverzeichnisses der US -amerikanischen Post von 1979 überreichen, das die Postleitzahlen aller Gemeinden und Postzustellbezirke in allen Bundesstaaten der USA in alphabetischer Reihenfolge auflistet, und außerdem« – er klemmte den Aktenkoffer unter den Arm, um das Verzeichnis aufschlagen und der Frau hinhalten zu können – mit dem einem Auge der Dame schien etwas nicht zu stimmen, als hätte sie Probleme mit einer Kontaktlinse oder einem Fremdkörper unter dem oberen Lid, was unangenehm sein konnte – »führt es darüber hinaus hier hinten auf der letzten Seite und innen auf der Umschlagrückseite, der Umschlag ist die Fortsetzung, die Adressen und gebührenfreien Nummern von über fünfundvierzig Regierungsbehörden und -diensten auf, von denen Sie zusätzliches Gratisinformationsmaterial beziehen können, das teilweise geradezu schockierend wertvoll ist, schauen Sie, ich habe Ihnen mit Sternchen einige gekennzeichnet, die ich aus Erfahrung für hilfreich und außerordentlich praktisch halte und die letzten Endes natürlich im Grunde genommen mit Ihren Steuerdollars bezahlt worden sind, warum also nicht den Extrawert der Beiträge mitnehmen, Sie verstehen, worauf ich hinausmöchte, aber die Wahl liegt selbstverständlich ganz bei Ihnen« – die Dame legte jetzt den Kopf leicht auf die Seite wie ein Mensch, dessen Gehör auch schon mal bessere Zeiten erlebt hat, und als Stecyk das merkte, stellte er den Aktenkoffer ab und markierte mit Sternchen zwei weitere Nummern, die in diesem Fall besonders nützlich werden konnten. Dann überreichte er das Verzeichnis mit einer großen Geste und ließ es zwischen ihnen mitten in der Luft vor der Tür schweben, während die Dame das Gesicht verzog und zu überlegen schien, ob sie die Türkette lösen sollte, um es in Empfang zu nehmen. »Vielleicht lehne ich es einfach hier an den Milchkasten« – wobei er auf den Milchkasten hinabzeigte –, »und Sie können es im weiteren Tagesverlauf in aller Ruhe studieren oder damit einfach machen, was Sie wollen«, sagte Stecyk. Er endete gern mit einem Scherzwort oder einer witzigen Geste, so als tippe er sich an die Hutkrempe, obwohl seine Hand den Hut nie berührte; das fand er sowohl höflich als auch amüsant. »Dann bis die Tage«, sagte er. Er ging den Weg wieder hinab, vermied alle Ritzen, und dass sich hinter ihm die Tür schloss, hörte er erst, als er schon den Bürgersteig erreicht hatte, scharf nach rechts abbog, achtzehn Schritte bis zum nächsten Plattenweg machte, wieder scharf rechts Richtung Tür abbog, vor der eine schmiedeeiserne Sicherheitstür montiert war, die ihm auch nach dreimaligem Klingeln und einem Schwiegersohnklopfen nicht geöffnet wurde. Er hinterließ seine Karte mit der neuen Adresse, dem sinngemäßen Inhalt seines Grußes und Angebots sowie ein weiteres Postleitzahlenverzeichnis von 1979 (die Ausgabe von 1980 erschien erst im August; bestellt hatte er sie schon) und ging den Weg wieder hinab, mit federndem Schritt und einem so breiten Lächeln, dass man sich unwillkürlich fragte, ob das nicht wehtat.

§ 13
    In der Highschool lernte der Junge die schreckliche Macht der Beachtung kennen und wem man Beachtung schenkt. Er lernte sie auf eine Weise kennen, deren Lächerlichkeit ihre Schrecklichkeit noch steigerte. Und sie war schrecklich.
    Mit sechzehneinhalb Jahren bekam er zerrüttende öffentliche Schweißausbrüche.
    Er hatte schon als Kind immer stark geschwitzt. Er hatte viel geschwitzt, wenn er Sport trieb oder wenn es heiß war, aber das hatte ihm nicht viel ausgemacht. Er hatte sich einfach

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