Der blinde Passagier
Unterricht beendet ist. Und während dieser drei Tage bist du für die Öffentlichkeit nur über das Warenhaus DAIMARU zu erreichen. Du bist also ein ganz klein wenig so etwas wie unser Gefangener, auf den wir sehr gut aufpassen werden.“
Der Direktor des Warenhauses lächelte vergnügt. „Das steht alles genau in unserem Vertrag. Was anschließend passiert...“
„Es gibt einen regelrechten Vertrag?“ fragte Peter Schimmelpfennig so harmlos wie möglich. Herr Sola fing an, ein wenig nervös zu werden.
„Aber selbstverständlich, und zwar mit Herrn Tavares und seiner Agentur in Rio de Janeiro“, versicherte der Warenhausdirektor. „All die Vorbereitungen haben eine Menge Geld gekostet. Wenn wir keine Sicherheit dafür gehabt hätten, daß du auch wirklich kommst, wäre dieses Geld zum Fenster hinausgeworfen. Abgesehen davon, daß wir uns bis auf die Knochen blamiert hätten.“
„Ich habe hier eine Telefonnummer“, sagte Peter Schimmelpfennig ohne jeden Zusammenhang und holte eine Visitenkarte aus seiner Hemdtasche. „Wenn Sie so freundlich wären und einen Mister Chandler verlangen würden.“
Direktor Suzuki drückte auf den Knopf an seinem Sprechgerät und bat um die Verbindung. „Dieser Herr hat aber nichts mit der Presse zu tun oder dergleichen?“
„Bestimmt nicht“, versicherte Peter Schimmelpfennig.
„Ich wußte nicht, daß du Bekannte in Tokio hast“, bemerkte Herr Sola und zündete sich eine neue Zigarette an.
Der Direktor des Warenhauses sprach eine ganze Weile nur japanisch, als das Telefonat durchgestellt wurde. „Mister Chandler befindet sich augenblicklich nicht in Tokio“, sagte er dann. „Er ist zu einem Golfturnier nach Osaka. Aber sein Butler nimmt an. daß er noch heute, spätestens morgen, zurückkommt.“
„Lassen Sie Herrn Chandler bitten, mich in dem Hotel, in dem wir wohnen, anzurufen. Es ist sehr dringend“, sagte Peter Schimmelpfennig.
Als Direktor Suzuki den Hörer wieder aufgelegt hatte, blickte er eine Weile nachdenklich vor sich auf den Schreibtisch und auf die Zeitungen, die dort nebeneinander lagen. „Gibt es noch irgend etwas, das ich für dich tun kann?“ fragte er schließlich.
„Bestimmt nicht“, sagte Herr Sola und drückte seine Zigarette aus. „Sie waren sehr freundlich, und alles ist in bester Ordnung.“
Später ging es im Lift wieder die fünfundzwanzig Stockwerke hinunter und durch den Hinterausgang in den großen schwarzen Wagen, der immer noch wartete. Die Herren Nagase und Watanabe blickten sich um wie Geheimpolizisten, die einen hohen Staatsbesuch abzusichern hatten.
„Dann bis heute nachmittag“, meinte der Direktor des Warenhauses DAIMARU, als Peter Schimmelpfennig in die Limousine geklettert war. Er machte höchstpersönlich die Wagentür zu. Und zuletzt sagte er leise zu Herrn Rodrigo Sola: „Passen Sie um Himmels willen auf. daß nichts schiefgeht. Ich habe das Gefühl, der Junge hat irgend etwas und sagt es uns nicht. Hoffentlich bekommt er nicht ausgerechnet in den nächsten vier Stunden die Masern.“
„Sie können sich auf mich verlassen“, versicherte Rodrigo, „machen Sie sich keine Sorgen.“ Er sprang wie ein ausgelassener Schuljunge auf die andere Seite des Wagens und stieg ein.
Ais der Chauffeur Gas gegeben hatte und an den Kistenstapeln und Lagerhallen vorbeifuhr, hatte der Brasilianer bereits eine neue Zigarette im Mund und pustete ihren Rauch vergnügt mitten in Peter Schimmelpfennigs Gesicht. „Was sagst du zu Tokio, alter Junge?“ lachte er.
Peter Schimmelpfennig gab keine Antwort. Er blickte nur zum Fenster hinaus. Der Wagen bog jetzt aus einer Seitenstraße in die belebte Ginza ein.
„Das Palace-Hotel liegt ganz dicht bei den kaiserlichen Gärten“, sagte Herr Nagase mit den dicken Gläsern in seiner Hornbrille.
„Und die Hauptpost?“ fragte Peter Schimmelpfennig.
„Die liegt mehr im Zentrum“, antwortete der junge Mann mit der schwarzen Hornbrille. „Beim Yurakucho-Bahnhof.“
„Herr Sola hätte nämlich dringend etwas auf der Hauptpost zu erledigen“, sagte Peter Schimmelpfennig. „Vielleicht könnten wir dort vorbeifahren?“
„Der Umweg ist ganz unbedeutend“, lächelte Herr Nagase und sprach mit dem Chauffeur.
Rodrigo hatte völlig überrascht aufgeblickt und wollte widersprechen. Aber Peter Schimmelpfennig ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. „Es ist wirklich dringend“, sagte er und blickte wieder aus dem Fenster.
Vor dem Hauptpostamt mußte der uniformierte Chauffeur den
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