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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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sich.
    „Mach dir keine Sorgen“, meinte Herr Mayer, „ich habe ihm ein gutes Trinkgeld versprochen. Abgesehen davon sind den Thais alle Vögel heilig.“
    Sie wanderten jetzt durch die Halle zu den Abfertigungsschaltern. „Alle Thailänder heißen Thais. Und Thailand bedeutet .Land der Freien 1 . Gib mir deinen Flugschein!“ Sie erfuhren, daß die Lufthansa-Maschine genau um fünfzehn Uhr abfliegen würde.
    „Auch das ist ganz fabelhaft“, bemerkte Herr Mayer mit Ypsilon und steckte den Flugschein zu seinem Kreuzworträtselheft in die Tasche. „Du wüßtest doch nicht, wohin damit.“ Peter Schimmelpfennig hatte nämlich auch sein Jackett bei der Gepäckaufbewahrung abgegeben und trug nur noch seinen Fotoapparat bei sich. Es war schon schwül, und man konnte sich vorstellen, wie heiß es im Laufe des Tages werden würde.
    Vor dem Flugplatzgebäude verhandelte Herr Mayer mindestens fünf Minuten lang mit einem braungebrannten Burschen, der bei jeder Gelegenheit auf die Straße spuckte und mit angezogenen Beinen neben einem Dreirad hockte. Dieses Dreirad war farbig angemalt wie ein Karussell und hatte zwei Sitze und ein Sonnendach mit Fransen.
    „Wenn man hier den Preis nicht vorher aushandelt, wird man hinterher übers Ohr gehauen, daß einem der Hut hochgeht“, erklärte Herr Mayer und kletterte dabei auf einen der beiden Sitze. „Diese Dinger haben den alten Taxis gegenüber den Vorzug, daß sie luftig sind und daß man etwas sieht.“ jetzt ging es über schlechte Straßen an Holzhäusern mit Strohdächern vorbei. Dann kamen die ersten Steinbauten, die ersten Hochhäuser und Asphaltstraßen. Weiße und rote Omnibusse füllten sich an den Haltestellen, und die Geschäfte schoben gerade ihre Eisengitter oder Rolläden von den Türen. Die Autos lieferten sich Rennen wie auf dem Nürburgring, und ihre Fahrer nahmen dabei keine Sekunde lang die Hand von der Hupe. Am Lumpini-Park stand ein Kaiser aus Bronze, aufrecht und mit Federn auf seinem Helm, zwischen uralten Bäumen, und immer wieder fielen unter den Menschen, die jetzt zur Arbeit gingen, die safrangelben Umhänge der Mönche auf.
    „Sie kommen zweimal am Tag in die Stadt“, erklärte Herr Mayer. „Man gibt ihnen nur zu essen und kein Geld. Sie nehmen auch Blumen mit für den Buddha ihres Tempels. Jeder Thai läßt sich einmal die Haare abrasieren und geht für mindestens drei Monate seines Lebens in ein Kloster. Manche machen es schon als Jungen.“ Herr Mayer steckte sich eine Zigarette an. „Aber manche machen es auch erst, wenn sie schon ziemlich alt sind und weil plötzlich ihre Geschäfte nicht mehr funktionieren.“
    Später kamen sie zum Wasser.
    Der Ostasienkorrespondent des Abendblattes bezahlte den Burschen mit dem Dreirad und verhandelte nacheinander mit fünf oder sechs Besitzern von Motorbooten. Schließlich einigte er sich mit einem dicken Kerl, der daraufhin sofort von den anderen beschimpft wurde. Aber das störte den Dicken mit seinem tomatenroten Strohhut keineswegs. Er half seinen beiden Kunden beim Einsteigen und tuckerte los.
    Das Wasser hatte eine Farbe wie Lehm. An den Ufern lagen große Frachtschiffe wie Kühe auf einer Weide vor Anker. Aber in der Mitte des Flusses war es bereits so lebhaft wie auf einer Hauptstraße um die Mittagszeit. Rudel von Motorbooten mit Touristen fuhren alle in die gleiche Richtung, und kleine Dschunken hopsten über ihr Kielwasser.
    „Die Thais sagen, daß der Menan der ,Vater aller thailändischen Flüsse’ ist. Er mündet ins Meer.“ Herr Mayer war gerade dabei, dem Dicken mit dem tomatenroten Strohhut, der wie ein Lastwagenfahrer hinter seinem Steuer saß, eine Zigarette anzubieten. „Und alle Boote mit den Touristen, die jetzt schon unterwegs sind, werden jeden Morgen von den Reisebüros und Hotels organisiert. Sie fahren in die Klongs zum Floating market , also zum Schwimmenden Markt. Und Klongs sagt man zu den Kanälen, die vom Fluß ins Land hineingehen.“
    Das Boot hatte inzwischen den Fluß überquert und fuhr eine Weile am anderen Ufer entlang. Dann schob es sich langsam in einen der vielen Seitenarme.
    Zuerst war es wie die Fahrt durch einen menschenleeren Dschungel. Kokospalmen und Bananenbäume standen dicht bis zum Wasser. Dahinter und dazwischen Schlinggewächse und Buschwerk so grün wie frischer Salat. Dann tauchten die ersten Häuser auf. Aus Holz und auf Pfählen in das Wasser oder in den Sumpf gebaut. Boote ruderten immer häufiger von einem Ufer zum anderen. Der Klong

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