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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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wurde breiter, und schließlich stand am Ufer ein Haus dicht neben dem anderen. Gleichzeitig nahm die Zahl der Boote zu. Schließlich lagen sie so eng nebeneinander, daß vom Wasser überhaupt nichts mehr zu sehen war. Die Touristenboote hupten pausenlos, aber sie kamen nur noch schrittweise weiter.
    „Das müssen ja mehr als tausend Boote sein“, sagte Peter Schimmelpfennig und machte bereits das erste Foto.
    „Mehr als eine halbe Million Menschen leben an den Klongs“, meinte Herr Mayer mit Ypsilon. „Und jedes Stück Zucker und jedes Streichholz kommt mit diesen Booten.“
    Die Käufer stocherten sich in ihren kleinen Kähnen von Boot zu Boot wie von einem Ladengeschäft ins andere. Es gab Eierboote, Fleischboote, Reisboote und kleine Schiffe von Trödlern, Schreinern und Kesselflickern. Man konnte Räucherstäbchen kaufen, Blütenketten aus Jasmin oder bunte Fotografien des Königspaares. Junge Burschen standen zwischen Bergen von Kokosnüssen, Papayas oder Bananen und brüllten die billigen Preise in die Gegend. Mönche ruderten in ihren gelbroten Gewändern von Schiff zu Schiff und warteten, daß man ihre Opferschalen füllte. Die Frauen hatten Strohhüte auf dem Kopf, die wie Lampenschirme aussahen, und trugen lange, farbige Röcke.
    Inzwischen nahmen die Leute, die am Ufer wohnten, vor ihren Häusern das Morgenbad, putzten sich die Zähne mit dem Kanalwasser oder seiften sich die Haare ein. Zwischendurch kam ein Briefträger angerudert, und ein kleines Motorboot holte die braungebrannten Kinder zur Schule ab. Sie winkten, die Mädchen kicherten und spritzten mit Wasser.
    „Und morgen bin ich wieder in der Steinfeldstraße 84 in Hamburg“, bemerkte Peter Schimmelpfennig gerade, als plötzlich Bewegung in die vielen Boote kam. „Das ist einfach kaum zu glauben“, sagte Peter Schimmelpfennig noch, und dann kam plötzlich der ganze Schwimmende Markt durcheinander.
    Es fing damit an, daß aus einem der Klongs Sirenen zu hören waren. Und eine Weile später tauchten auf dem Wasser vier schneeweiße Polizeifahrzeuge auf. Sie schoben sich langsam immer näher und drückten die Marktboote dichter zusammen an die Ufer. Auf den Kähnen kamen die Stapel mit den Coca-Cola-Flaschen ins Rollen und die aufgetürmten Salatköpfe ins Schwanken. Man turnte aufgeregt durcheinander und schimpfte laut. Aber dann wurde hinter den Polizisten ein schmales Schiff sichtbar. Es war genauso weiß wie die Motorboote der Polizei und blitzte nur so von Chrom und Silber. Es hatte ein Sonnendeck aus blauer Seide, und von seinem Kiel wehte eine grüne Fahne mit einem gelben Kreis in der Mitte. Aus dem gelben Kreis blickte der Kopf eines Löwen.
    Jetzt fingen die Leute auf den Booten an zu applaudieren.
    Manche knieten sogar nieder oder falteten die Hände vor der Brust und verbeugten sich. Auch der Dicke mit seinem tomatenroten Strohhut verbeugte sich. Wenn ersieh zwischendurch aufrichtete, gab er immer wieder Erklärungen ab wie ein Fremdenführer, der mit Touristen durch ein Museum wandert.
    „Es handelt sich um einen Staatsbesuch, soviel weiß ich inzwischen“, bemerkte Herr Mayer nach einer Weile. „Und ein Prinz namens Namburi scheint die Person zu sein, um die sich alles dreht.“
    Peter Schimmelpfennig war auf den Sitz des Bootes geklettert, um besser fotografieren zu können.
    „Es muß vor Borneo eine Insel geben, die Tanimpang heißt. Sie ist selbständig und wird seit etwa einer Woche wieder von einem König regiert.“ Herr Mayer mit Ypsilon blickte jetzt auch zu dem weißen Schiff hinüber, das inzwischen am Ufer anlegte. Unter dem blauseidenen Sonnendach konnte man jetzt mehrere Herren in dunklen Anzügen und farbigen Uniformen erkennen. „Ein paar Jahre lang sollen irgendwelche Revolutionäre an der Macht gewesen sein. Aber der junge Prinz hat sich durch einen Staatsstreich vor acht Tagen seinen Thron wieder zurückgeholt und ist im Augenblick hier zu Besuch.“
    „Dann ist das der erste waschechte König, den ich fotografiere“, stellte Peter Schimmelpfennig fest. Er stieg vorsichtig aus dem Motorboot und balancierte wie ein Seiltänzer weiter. Von einem Kahn zum anderen. Herr Mayer versuchte, ihm zu folgen.
    Der Staatsbesuch war inzwischen über einen breiten Holzsteg an Land gegangen. Polizisten mit weißlackierten Helmen drängten die Menschen zurück, und die Gruppe der Herren, die aus dem weißen Schiff gekommen war, ging zu einem kleinen Tempel, der ganz dicht am Ufer stand. Ein paar Mönche zündeten

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