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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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daß du dir eigentlich ein Fahrrad gewünscht hast. Dein neuer Freund aus Hamburg hat es mir erzählt. Trotzdem hast du dich deiner Mutter zuliebe für eine Waschmaschine entschieden. Das gefällt mir ganz außerordentlich und muß belohnt werden. Du darfst dir also jetzt im vierten Stock auch noch ein Fahrrad aussuchen.“
    Der kleine Japaner in seiner dunkelblauen Schüleruniform holte tief Luft, verbeugte sich und rannte los.
    Inzwischen schrieb und schrieb Peter Schimmelpfennig seinen Namen. Aber allmählich blickte Herr Nagase immer häufiger auf seine Armbanduhr. „So leid es mir tut“, sagte er schließlich, und Reklamechef Matsumoto mußte jetzt über die Lautsprecher bekanntgeben, daß die Autogrammstunde beendet sei. Aber die Leute applaudierten trotzdem, als Peter Schimmelpfennig aufstand und sich höflich verbeugte. Er sagte: „Auf Wiedersehen“ und rieb sich die rechte Hand. Er hatte vom vielen Schreiben ganz steife Finger bekommen.
    Auf dem Flugplatz durfte die schwarze Limousine wie bei einem Staatsbesuch bis auf das Rollfeld fahren. Hausdetektiv Watanabe hatte schon eine halbe Stunde früher Peter Schimmelpfennigs Koffer aufgegeben. Die Passagiere, die in derselben Maschine mitflogen, stiegen bereits aus einem großen Omnibus und kletterten über die Gangway. Sie blickten sich neugierig um, weil plötzlich rund um die schwarze Limousine Scheinwerfer aufleuchteten und eine ganze Menge Blitzlichter abgeschossen wurde. Fernsehkameras surrten von hohen Stativen herunter, und eine Traube von Reportern stellte Fragen und machte sich Notizen.
    Peter Schimmelpfennig versicherte immer wieder, wie schön es in Tokio gewesen sei, und schlug vor, daß sich die Herren mit Hiroshi unterhalten sollten. „Er weiß alles und bleibt ja noch hier. Ich muß jetzt leider einsteigen.“
    Ein Steward kam nämlich schon zum zweiten Mal und erinnerte höflich daran, daß die Maschine startbereit sei.
    Jetzt war es allerhöchste Eisenbahn, sich endgültig von den Herren des Warenhauses DAIMARU zu verabschieden: von Herrn Watanabe, der ein wenig wie ein Ringkämpfer aussah, und von Herrn Nagase mit seiner dicken, schwarzen Hornbrille. Herr Matsumoto, der Reklamechef, kam plötzlich noch mit Fotos und japanischen Zeitungen. „Damit du zu Hause zeigen kannst, was hier in Tokio los war“, lächelte Direktor Suzuki. „Noch einmal herzlichen Dank“, sagte Peter Schimmelpfennig und merkte gar nicht, wie ihm der Warenhausdirektor ein Päckchen in die Tasche seines nagelneuen Regenmantels zauberte. Er gab nämlich bereits Rodrigo die Hand: „Der dicke Alain soll mir nicht böse sein.“
    „Es waren aufregende Tage“, grinste Herr Sola, „und du hörst von mir aus Rio.“
    „Well, my boy, goodbye“, rief im gleichen Augenblick Mister Chandler und packte Peter Schimmelpfennig bei den Schultern. „Have a good flight and happy landing.“
    Schließlich blieb nur noch Hiroshi übrig. Der Japanerjunge in seiner dunkelblauen Schüleruniform mit den silbernen Knöpfen kam mit bis zu den Stufen der Gangway. „Und man darf nie auf einen Regenbogen zeigen“, sagte er noch im letzten Augenblick, „sonst bricht man sich den Finger oder auch die ganze Hand.“
    „Alles Gute, Hiroshi“, lachte Peter Schimmelpfennig. „Keine Männer mit Glatze, böse Geister von Autos überfahren lassen und nicht auf einen Regenbogen zeigen. Ich weiß Bescheid.“
    „Und wenn du jetzt in dein Flugzeug kletterst, dann winke nicht zurück“, flüsterte Hiroshi noch zum Schluß. „Winken bedeutet in Japan, daß jemand kommen soll. Beim Abschied verbeugt man sich nur.“
    „Auf Wiedersehen, Hiroshi“, sagte Peter Schimmelpfennig und blickte dem kleinen Japaner in seine schwarzen Augen.
    „Ogenkide, Sayonara!“ antwortete Hiroshi leise. Er hatte plötzlich ein ganz feierliches Gesicht und verbeugte sich langsam. Im gleichen Augenblick verbeugten sich auf dem Flugplatz auch die Herren des Warenhauses DAIMARU. Und als jetzt Peter Schimmelpfennig mit seinem Papageienkäfig und der Segeltuchtasche ganz oben auf der Gangway stand verbeugte auch er sich ein paarmal, bevor er im Flugzeug verschwand.
    Der Steward hatte schon die Tür verriegelt, und die Gangway wurde bereits zur Seite geschoben, als noch ein verspäteter Passagier angerannt kam. Sein heller Staubmantel flatterte ihm um die Beine, und er hielt beim Laufen seinen Hut mit einer Hand auf dem Kopf fest. Während die Gangway noch einmal an das Flugzeug geschoben wurde, stürzte er schon

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