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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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bald auch die letzte Gelegenheit verpaßt, je wieder an das Geld zu kommen.
    Peter blieb stehen und nagte an seiner Unterlippe.
    Herr Sang Ping hatte seine Koffer mitgenommen. Es war also anzunehmen, daß er eine Reise angetreten hatte und nicht mehr in der Stadt war.
    „Stimmt“, sagte Peter zu sich selbst. „Aber wenn er eine Reise angetreten hat, wohin ist er gereist?“
    Peter Schimmelpfennig spazierte zum Fenster und wieder zurück.
    Und plötzlich ging er zur Tür, schloß sie auf und ging zu seinem eigenen Zimmer hinüber. Dabei schaute er nicht nach rechts und nicht nach links. Er machte den Eindruck eines Menschen, der ganz tief in seine eigenen Gedanken hineingetaucht ist. Die Damen Schimmelpfennig glaubten, daß ein Schlafwandler an ihnen vorbeiginge.
    Die Tür zu seinem Zimmer ließ Peter offen. Er ging sofort auf den Schrank zu und öffnete ihn. Gleich rechts neben den aufgestapelten Taschentüchern und Hemden hatte er seine Briefmarkensammlung. Für diese Sammlung hatte Peter im Laufe der Zeit so ziemlich alle Leute, die er kannte, als Lieferanten eingespannt, angefangen vom Zeitungshändler an der Ecke bis zu Herrn Chang vom Restaurant „Hongkong“. Und natürlich hatte auch Suwanna Sang Ping von Anfang an die Briefumschläge seiner Post immer bei Peter abgeliefert.
    Und weil es ja seine Zeit braucht, bis eine Briefmarke von einem Umschlag so abgelöst ist. wie es sich gehört, wartete Peter immer so zwei oder drei Wochen, bis sich genügend Material angesammelt hatte, mit dem er sich einen ganzen Nachmittag oder Abend beschäftigen konnte. Im Augenblick hatte er es damit auf etwa fünfzig Briefumschläge und Postkarten gebracht. Peter, der mit seinen Gedanken immer noch bei einer ganz bestimmten Sache war. fing an, diese Postkarten und Briefumschläge zu sortieren.
    Schließlich hatte er nur noch die Post von Herrn Sang Ping in der Hand. Und jetzt stellte sich heraus, daß genau sieben Briefe vom gleichen Absender gekommen waren: Alle von der east asia development company Frankfurt. Und ein paarmal war mit Tinte und mit der Hand unter die gedruckte Firmenadresse noch der Name Johu Sung geschrieben.
    Peter Schimmelpfennig brauchte gar nicht erst wieder in das Zimmer von Sang Ping zurückzugehen, um sicher zu sein, daß die Anschrift des Absenders auf dem dortigen Pappkarton die gleiche war wie hier auf den sieben Briefumschlägen.
    „Interessant“, stellte Peter Schimmelpfennig fest und sprach wieder einmal zu sich selbst. „Herr Sang Ping bekam also hier in Deutschland häufig Post von dieser east asia development company und von diesem Herrn Johu Sung aus Frankfurt. Sehr interessant.“
    Im Wohnzimmer klingelte das Telefon. Aber für Peter war dieses Klingeln im Augenblick so weit weg, als stünde der Apparat auf dem Mond.
    „Wirklich, ganz außerordentlich interessant.“
    Aber jetzt rief Frau Schimmelpfennig durch die offene Tür. er solle um alles in der Welt kommen und den verdammten Telefonhörer abnehmen. „Ich bin heute einfach nicht mehr in der Lage, mit irgend jemandem zu telefonieren“, jammerte sie. „Und wenn man mich sprechen will, sage, ich hätte geschwollene Mandeln und läge mit einem Halswickel im Bett.“
    „Hier bei Schimmelpfennig’’, meldete sich Peter.
    „Und hier spricht Suwanna Sang Ping.“
    „Sang Ping...“
    Peter stand wie vom Blitz getroffen. Er hatte plötzlich das Gefühl, der Telefonhörer sei elektrisiert. Er hätte ihn beinahe fallen lassen.
    „Hör zu, Peter!“ sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung, und es gab keinen Zweifel, daß es wirklich die Stimme von Sang Ping war, die da sprach. „Ich habe nur noch zwei oder drei Minuten Zeit. Verstehst du. was ich sage?“
    „Ja, ich verstehe Sie gut“, versicherte Peter. Er hatte sich von seinem ersten Schreck wieder einigermaßen erholt.
    „Ich bin in einer Telefonzelle, und vor dieser Telefonzelle ist es ziemlich laut“, sagte Herr Sang Ping.
    „Wo sind Sie denn?“ wollte Peter wissen. Im Augenblick glaubte er, daß dies eine sehr schlaue Frage sei.
    Aber Herr Sang Ping ging darauf gar nicht ein. „Ich weiß nicht, ob deine Mutter schon etwas entdeckt hat.“
    „Ja, sie hat“, sagte Peter.
    Frau Schimmelpfennig war ganz nahe herangekommen und versuchte mitzuhören.
    „Hör zu, drei Minuten sind schnell vorbei und eigentlich zu kurz.“ Herr Sang Ping war noch zu verstehen, aber irgendwelche Geräusche im Hintergrund wurden immer lauter.
    „Also, was wollen Sie sagen?“ fragte

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