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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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wie der Hörer auf den Tisch gelegt wurde.
    Wenn man in den nächsten zwei Minuten im Schimmelpfennigschen Wohnzimmer ein Streichholz angezündet hätte, wäre bestimmt das ganze Haus explodiert. So geladen war die Stimmung.
    Bis Frau Biermann wieder am Telefon war, hatte Peter etwa zehnmal den Weg von der Tür zum Fenster und vom Fenster wieder zur Tür zurückgelegt.
    Dann war deutlich zu hören, wie am anderen Ende wieder der Hörer aufgenommen wurde.
    „Nicht einer“, keuchte Frau Biermann in den Apparat. „Es waren drei. Zwei jüngere und ein älterer. Und einer von den jüngeren hatte tatsächlich einen blauen Mantel. Aktentaschen hatten alle drei. Und alle drei waren auch Chinesen. Und sie gehörten zusammen. Jedenfalls gingen sie miteinander und unterhielten sich. Und es war auch gar nicht schwer, sie ;v . finden. Die Maschine war nämlich fast leer, im ganzer; höchstens fünfzehn Passagiere. Na. wer fliegt schon am ersten Weihnachtstag.“
    „Bedanke dich und mach Schluß!“ sagte Peter leise.
    Aber das war leichter gesagt als getan. Frau Biermann wollte gerne wissen, weshalb ihre Kollegin plötzlich an irgendwelchen Herren aus China so interessiert war, daß sie derentwegen an
    Festtagen durch die Gegend telefonierte und andere Leute hinter Flugzeugen herrennen ließ.
    „Ich erzähle Ihnen das alles ganz genau nach den Feiertagen“, versprach Frau Schimmelpfennig schließlich. Und dann war die Leitung endlich wieder frei.
    „Er reist also nicht allein“, überlegte Peter. „Aber er ist ganz bestimmt dabei. Ich meine bei diesen drei Chinesen.“
    „Emil!“ rief die Großmutter plötzlich. „Jetzt muß Emil an die Front!“
    Onkel Emil war ein Bruder von Frau Schimmelpfennig. Er war nicht gerade Polizeibeamter, aber immerhin Wachtmeister beim Zollamt. Und zwar in Frankfurt.
    „Abwarten“, meinte Peter und fing an, die Vorwählnummer von Frankfurt zu wählen. Er hatte immer noch die Briefumschläge aus seiner Markensammlung in der Hand.
    „Bring mir jetzt ganz schnell Herrn Chang hierher“, sagte Peter, während er die Telefonnummer weiterwählte und dann wartete.
    Frau Schimmelpfennig guckte einen Augenblick lang verwundert. Aber dann nahm sie ihren Mantel vom Garderobenhaken und rannte los. Sie wäre in dieser Stunde auch aus dem Fenster gesprungen, wenn Peter das verlangt hätte.
    „Endlich passiert etwas“, trompetete die Großmutter, „endlich passiert etwas!“
    Peter mußte sich immer wieder neu verbinden lassen. Schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als ein Ferngespräch mit der Auskunft in Frankfurt zu riskieren.
    Beinahe im gleichen Augenblick, als Frau Schimmelpfennig mit Herrn Chang zurückkam, erhielt Peter von der Frankfurter Auskunft die Telefonnummer der east asia development company durchgesagt.
    Herr Chang verbeugte sich vor der Großmutter und grüßte auch Peter. Aber er lächelte heute nicht. Frau Schimmelpfennig hatte ihm nämlich inzwischen erzählt, was sich zugetragen hatte.
    „Ich das. wo ist geschehen, bedaure sehr“, stellte Herr Chang ein wenig traurig fest und rieb sich verlegen die Hände.
    „Danke“, sagte die Großmutter und machte ein genauso trauriges Gesicht wie der Chinese.
    „Lieber Herr Chang“, meldete sich jetzt Peter zu Wort, „zuerst möchte ich mich dafür bedanken, daß Sie gekommen sind.“ Das hörte sich jetzt so an, als würde Peter Anlauf zu einer regelrechten Rede nehmen. Aber das hörte sich nur im ersten Augenblick so an. In Wirklichkeit ging es darum, Herrn Chang zu einem Telefongespräch mit Frankfurt zu bewegen.
    „Ich zu Ihrer Verfügung stehe“, versicherte Herr Chang. „Bitte nur sagen, was ich soll machen, und ich mache.“
    „Wir vermuten, lieber Herr Chang, daß unser bisheriger Untermieter Sang Ping in diesem Augenblick im Flugzeug nach Frankfurt sitzt“, erklärte Peter Schimmelpfennig. „Wir vermuten weiter, daß er zur east asia development company will und dort zu einem gewissen Herrn Johu Sung. Wie gesagt, das vermuten wir.“
    „Ich verstehen“, sagte Herr Chang.
    „Die Telefonnummer der east asia development company habe ich gerade herausbekommen. Beide, die Firma und dieser Herr Johu Sung, haben den gleichen Anschluß. Es ist also anzunehmen, daß sich da auch am Sonntag jemand meldet.“ Peter holte Luft. Frau Schimmelpfennig und die Großmutter staunten ihn an wie einen Elefanten, der plötzlich Klarinette spielt. „Wenn ich nun dort anrufe oder meine Mutter es tut, wird man sofort hellhörig.

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