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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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mich für die Kinder der Zollbeamten als Weihnachtsmann verkleiden. Aber wenn der Junge mit dem nächsten Flugzeug hier eintrudelt, kann nichts schiefgehen. So eine Verhaftung ist ja in einer halben Stunde erledigt.“
    Peter hatte nach diesem Telefongespräch in aller Eile zusammengepackt, was man eben so braucht, wenn man nur mal für einen Tag durch die Luft fliegt. Und Frau Schimmelpfennig hatte noch schnell für Onkel Emil und seine Frau eine Schachtel mit Weihnachtsgebäck gefüllt und in buntes Papier eingewickelt. „Du kannst da nicht so mir nichts, dir nichts mit leeren Händen aufkreuzen“, hatte sie noch gesagt.
    Diese Schachtel mit dem Weibnachtsgebäck und die Schimmelpfennigsche Segeltuchtasche, die jetzt neben Peter auf dem zweiten Sitz lagen, waren sein ganzes Gepäck; das heißt, er hatte natürlich auch seinen Fotoapparat und das neue Blitzlichtgerät bei sich. Außerdem hatte er noch schnell ein paar Bilder von Herrn Sang Ping herausgesucht, die er im vergangenen Sommer gemacht hatte, als sie einmal zusammen im Zoo gewesen waren. Diese Fotos konnten vielleicht wichtig werden, wenn er den Frankfurter Polizeibeamten oder seinem Onkel zeigen mußte, wie der Täter überhaupt aussah.
    Auf einer Tafel blinkte eine Leuchtschrift auf. no smoking und fasten seat belts. Gleichzeitig war wieder eine Stimme aus dem Lautsprecher zu hören: „Würden Sie sich bitte anschnallen und auch das Rauchen einstellen. Wir werden in wenigen Minuten in Frankfurt landen.“ Peter hätte wetten können, daß seit dem Start noch keine fünfzig Minuten vergangen waren. Aber wie die Dinge lagen, hätte er diese Wette vermutlich hochkantig verloren.
    Der Waschküchendampf wurde immer heller. Und dann bekam die Wolkendecke auch schon die ersten Löcher. Zuerst waren nur einzelne Häuser zu erkennen, die Schleifen einer Autobahn und Fabriken mit ihren Schornsteinen. Bis endlich die Sicht wieder ganz klar wurde und das Flugzeug mitten über die Stadt flog.
    Peter Schimmelpfennig hatte seine Nase und seine Augen ganz dicht am Flugzeugfenster. Jetzt sah man bereits die Autos in den Straßen. Man konnte zwischen den Häusern in die Hinterhöfe gucken und in die Kamine auf den Dächern. Irgendwo da unten in einem der Häuser und unter einem der vielen tausend Dächer rauchte vielleicht gerade in diesem Augenblick Herr Sang Ping eine Zigarette oder trank eine Tasse Tee.
    Peter versuchte, sich das Gesicht des bisherigen Untermieters vorzustellen, wenn er so in einer guten Stunde plötzlich die Türe aufreißen und zusammen mit Onkel Emil und zwei Polizisten vor ihm stehen würde: „Guten Tag, Herr Sang Ping! Würden Sie bitte die Hände hochnehmen und das Geld rausrücken!“
    Die Maschine ging immer tiefer. Sie schwebte jetzt ganz dicht über den Häusern, und bald kamen auch schon die breiten Start- und Landebahnen des Flughafens in Sicht.
    Ein sanfter Stoß, ein leichtes Rumpeln — das Flugzeug war gelandet. Die Motoren heulten wieder auf, und dann rollte die Maschine langsam über das verschneite Flugfeld.
    Es dauerte eine Weile, bis die Maschine endgültig stand und zur Ruhe kam. Die Passagiere zogen wieder ihre Mäntel an, und über den Bordlautsprecher war jetzt zum letzten Mal die Stimme der hellblonden Stewardeß zu hören: „Wir hoffen, daß Ihnen der Flug gefallen hat und würden uns freuen, Sie bald wieder an Bord begrüßen zu dürfen.“
    Es schneite in dicken Flocken, als Peter Schimmelpfennig aus dem Flugzeug kletterte.
    Unten neben der Gangway wartete ein junger Mann in einer dunkelblauen Uniform. Er schlug immer wieder seine Schuhabsätze zusammen, weil es ziemlich kalt war, und wartete, bis alle Passagiere ausgestiegen waren. Dann sagte er sehr höflich: „Bitte, folgen Sie mir“ und setzte sich in Richtung Flugplatzgebäude in Bewegung. Die Fluggäste zogen die Köpfe zwischen ihre hochgeschlagenen Mantelkragen und trotteten folgsam hinter ihm her, wie eine Schulklasse, die durch ein Museum geschleust wird.
    Obgleich es Weihnachten war und pausenlos schneite, standen überall Flugzeuge umher wie Autos in einer Großgarage. Tankwagen kurvten durch die Gegend, und Elektrokarren mit Koffern rollten über den Schnee und überholten eine Gruppe von etwa dreißig Passagieren, die zu ihrem Abflug unterwegs war.
    Peter Schimmelpfennig hatte sich seinen Fotoapparat über die Schulter gehängt, trug die Segeltuchtasche in der linken Hand und unter dem rechten Arm die Schachtel mit dem Weihnachtsgebäck. Bis zum

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