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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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auch gar nicht sagen können. Sein Mund war nämlich ganz trocken, und seine Gedanken pendelten zwischen Frau Schimmelpfennig und Onkel Emil hin und her. Gleichzeitig versuchte er noch festzustellen, wo Herr Sang Ping geblieben war. Und schließlich lag ihm daran, von eben diesem Herrn nicht entdeckt zu werden.
    Peter Schimmelpfennig hatte im Augenblick also alle Hände voll zu tun, wie man zugeben muß.
    Dieses Mal waren zwei Stewardessen und ein Steward im Flugzeug. Der Steward war noch sehr jung und überschlug sich nach allen Seiten beinahe vor Höflichkeit. Er wirkte frisch und sauber, wie aus dem Ei gepellt oder wie aus einem Milchgeschäft. Als er sich jetzt in den Mittelgang stellte, wußte Peter, was kommen würde. Er flog ja schließlich nicht zum ersten Mal.
    Und Peter Schimmelpfennig hatte richtig vermutet. Der blitzsaubere Steward fing an, die einsteigenden Passagiere abzuzählen.
    „Suchst du Pilze oder hast du eine Goldader entdeckt?“ wollte Frau Bergström wissen, weil Peter plötzlich zwischen den Sitzen am Boden herumkramte.
    „Mein Drehbleistift“, entschuldigte sich Peter und blieb noch eine Weile auf Tauchstation, „er ist mir heruntergefallen.“
    Dann war ganz deutlich zu hören, wie die Türen geschlossen und verriegelt wurden. Jetzt wagte es Peter, wieder an die Oberfläche zu kommen und sich zurechtzusetzen, so als habe er seinen Platz bezahlt und durchaus das Recht, sich wie alle anderen Passagiere zu benehmen.
    Die Stewardessen und ihr männlicher Kollege hatten jetzt ebenfalls irgendwo im vorderen Teil der Maschine Platz genommen und sich für den Start angeschnallt.
    Das war eine günstige Gelegenheit. Peter Schimmelpfennig richtete sich auf und peilte über die Lehnen der Vordersitze die übrigen Passagiere an. Die Boeing raste über die Startbahn.
    Und genau in dem Augenblick, als sich die schwere Maschine von der Erde abhob und steil in den Himmel stieg, entdeckte Peter Schimmelpfennig Herrn Sang Ping. Er saß ganz vorne in der Kabine auf einem Fensterplatz. Er hatte noch seinen dunkelblauen Mantel an. las in einer Zeitung und kümmerte sich überhaupt nicht um den Start.
    „Es wäre an der Zeit, daß du dich vorstellst“, sagte Frau Bergström in diesem Augenblick.
    „Oh, Entschuldigung, ich heiße Peter Schimmelpfennig.“
    „Meinen Namen habe ich ja schon gesagt“, antwortete Frau Bergström. „Und du fliegst wohl über die Weihnachtsferien zu Verwandten oder so etwas Ähnliches?“
    „Ja. so ähnlich“, meinte Peter und sagte dann ganz schnell hinterher: „Dafür, daß Sie aus Kopenhagen sind, sprechen Sie ausgezeichnet Deutsch.“
    „Ich war genau vierundzwanzig Jahre lang Kindermädchen bei einer deutschen Familie“, erklärte Frau Bergström. „Bei einem Rasierklingenfabrikanten in Darmstadt. Aber jetzt sind die Kinder erwachsen, und ich habe Schluß gemacht, um mich in der Welt umzugucken. bevor ich dafür zu alt bin.“
    Inzwischen war das Flugzeug in die Wolken eingetaucht. Die Stewardessen und der Steward hatten wieder die Sitzgurte abgeschnallt und kümmerten sich um die Passagiere. Man konnte Decken bekommen, wenn man wollte, Zeitschriften oder Kopfkissen. Aus den Bordlautsprechern kam Musik.
    „Und wann gibt es etwas zu essen?“ fragte Frau Bergström, als eine der beiden Stewardessen vorbeikam.
    „Wir servieren in zwanzig Minuten“, lächelte das Fräulein in seinem dunkelblauen Kostüm.
    „Dann darf ich inzwischen um einen Kognak und einen Orangensaft bitten“, sagte die Dänin. „Du trinkst doch Orangensaft?“
    „Sehr freundlich“, meinte Peter Schimmelpfennig und ließ Herrn Sang Ping. der gerade seine Zeitung umblätterte, nicht aus den Augen.
    „Wenn ich jetzt dein Klassenlehrer wäre“, stellte Frau Bergström fest, „würde ich vermuten, daß du irgendwie nicht ganz bei der Sache bist.“
    Peter Schimmelpfennig lächelte verlegen. „Ich bin etwas durcheinander, das stimmt.“
    „Nun ja. schließlich ist so ein Flug auch kein Katzensprung.“ Frau Bergström holte ein Fläschchen Parfüm aus ihrer Handtasche. Es roch nach Maiglöckchen, als sie damit ihre Handrücken einrieb. „Würdest du bitte mal da oben an dem Knopf drehen? Es wird jetzt ziemlich warm hier drinnen.“ Über den Sitzen gab es an der Decke eine ganze Reihe von Metallknöpfen. Sie waren alle beschriftet. Neben dem einen hieß es reading lamps, neben einem anderen steward push.
    Den Knopf mit der Aufschrift air drehte Peter nach links, und im gleichen Augenblick

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