Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
Fußmatte.
    Als Dr. Liesegang gerade das Glas mit dem Orangensaft in die Hand nahm und dabei war, sich an einem Artikel über Mondraketen festzulesen, klopfte es an die Badezimmertür.
    „Alexander“, rief es von draußen, „ein Ferngespräch für dich. Und das Frühstück ist auch gleich fertig.“ Frau Liesegang legte ein Ohr an die Tür, weil sie wissen wollte, ob ihr Mann sie verstanden hatte. Aber sie hörte nur das leise Rauschen einer Wasserleitung.
    „Alexander!“ rief sie noch einmal und zog den Namen in die Länge, als spannte sie einen Expander auseinander.
    „Ich komm’ ja schon“, brüllte es von drinnen. Gleichzeitig stöhnte es gewaltig, und dann hörte es sich an, als würden riesige Wassermassen bewegt.
    Der Hörer lag neben dem Apparat auf dem Schreibtisch. Und der Schreibtisch stand vor einem großen Fenster, das fast die ganze Seite des Zimmers einnahm und durch das man direkt auf die Elbe sehen konnte. Ein Schiff, das völlig eingeschneit und vereist war, wurde gerade von einem Lotsenboot zum Hafen gezogen.
    „Hier Liesegang“, meldete sich der Chefredakteur des Abendblattes . Er war barfuß und hatte sich nur einen dunkelblauen Bademantel übergezogen, der ihm bis zu den Waden ging.
    „Ja, ich bin es persönlich.“ Dr. Liesegang nahm einen Zug aus seiner Zigarre und wischte sich mit dem Ärmel seines Bademantels über das Gesicht. Er hatte sich zum Abtrocknen nicht genügend Zeit gelassen.
    „Sagen Sie das bitte noch einmal, ganz genau.“ Um die Füße von Dr. Liesegang bildete sich auf dem Perserteppich bereits eine kleine Wasserpfütze. „Nein, mein Fräulein, das muß ein Irrtum sein, oder irgend jemand macht sich da einen verfrühten Aprilscherz. Wie? Ja, mir tut es auch leid. Sie haben mich nämlich aus der Badewanne geholt, wenn Sie es genau wissen wollen. Was sagen Sie? Natürlich konnten Sie das nicht ahnen. Auf Wiedersehen.“ Dr. Liesegang legte den Hörer wieder auf den Apparat zurück.
    „So ein ausgemachter Quatsch“, murmelte er vor sich hin und wanderte zu seiner Badewanne mit dem Fichtennadelgeruch zurück.
    „Aber du brauchst nicht mehr zu lange?“ fragte Frau Liesegang hinter ihm her. „Der Kaffee läuft schon durchs Filter.“
    „Red ihm gut zu, daß er nicht zu schnell läuft“, schlug Dr. Liesegang noch vor und verschwand hinter der Badezimmertür. Gleich darauf saß er wieder in seiner geliebten Wanne.
    „Simmelfritze“, brabbelte er noch, „aus Dakar in Afrika.“ Er schüttelte den Kopf. Dann ließ er sich bis zur Nase ins Wasser gleiten und spielte mit sich selber Nilpferd.
    Frau Bergström blickte auf ihre Armbanduhr. „Wenn wir rechtzeitig wieder im Hotel sein wollen, müssen wir in spätestens zehn Minuten los.“
    „Ja, leider“, meinte Peter Schimmelpfennig.
    „Ist denn dieses Gespräch so wichtig?“
    „Im Augenblick beinahe so wichtig wie die Luft zum Atmen“, sagte Peter leise.
    „Junge, Junge“, seufzte Frau Bergström, „wenn ich dir nur helfen könnte!“
    Doudou hörte zu und schien wieder alles zu verstehen.
    Seit einer ganzen Weile saß jetzt schon ein Neger mit einem roten Turban auf einer Bank gegenüber. Er hatte die Augen geschlossen und ließ die Perlen einer Gebetskette langsam durch seine Finger wandern. Es störte ihn nicht, daß dicht hinter ihm eine Gruppe von Frauen und Männern durcheinandersprach und immer lauter wurde.
    „Ist da plötzlich irgend etwas passiert?“ fragte Frau Bergström.
    Das sei nichts Besonderes, meinte Doudou. Aber er sagte es so, daß man kein Hellseher sein mußte, um zu merken, daß er einfach keine Auskunft geben wollte.
    Würde der Negerboy Frau Bergström aus Kopenhagen besser gekannt haben, hätte er gewußt, daß es sinnlos war, ihr irgend etwas zu verschweigen. Die Dänin hatte ihre unerschütterlichen Meinungen über Eingemachtes, Politik, Kindererziehung und eine ganze Menge mehr. Das kam daher, weil sie sich von nichts und niemandem ein X für ein U vormachen ließ. Sie nahm also Peter beim Ellbogen und stand auf, um der Sache auf den Grund zu gehen.
    Am Ende des Schalterraums saß zwischen zwei Säulen ein alter Neger an einem wackligen Tisch, den er sich wohl selbst mitgebracht hatte. Er war tief über ein paar Blätter Papier gebeugt und schrieb, ohne sich um die Menschen zu kümmern, die um ihn herumstanden und auf ihn einredeten. Eine von den Frauen hatte sich ihr kleines schwarzes Kind auf den Rücken gebunden.
    „Sie können nicht schreiben“, gab Doudou endlich zu.

Weitere Kostenlose Bücher